Die Haut als Kunst-Symbol in Romantik und Expressionismus

Die Haut ist und war in Kunst und Literatur mehr als nur ein Organ. Unsere Autorin Dr. med. Katharina Ginter hat zur Haut als Symbol in Romantik und Expressionismus recherchiert und ist dabei auch auf einen besonderen Kollegen gestoßen: den expressionistischen Dichter Gottfried Benn, der zugleich Dermatologe war. 2026 jährt sich sein 140. Geburtstag und sein 70. Todestag – ein doppeltes Jubiläum, das zum Wiederentdecken seiner Perspektive einlädt.

Die Haut hat seit jeher Künstlerinnen und Künstler beschäftigt (siehe u.a. Blogbeitrag Kunst und Dermatologie). Ich habe mich daher gefragt, wo eigentlich im letzten und vorletzten Jahrhundert unser Fach, die Dermatologie, Einfluss auf Kunst und Literatur hatte. Und ich wurde, wenig überraschend, an vielen Stellen fündig. Was ich aus der Recherche mitgenommen habe, könnt ihr in den nächsten Absätzen nachlesen – ich habe dabei sogar einen Dichter gefunden, welcher zum Broterwerb Dermatologe war (Gottfried Benn, siehe Abschnitt Expressionismus).  
 

Romantik (ca. 1800-1850) : Haut als vergeistigte Membran für Gefühle 

Die Epoche der Romantik war geprägt von Sehnsucht und der Suche nach dem „Inneren“. Dementsprechend wurde hier die Haut zur Grenze zwischen Innen und Außen als zarter „Spiegel der Seele“. Caspar David Friedrich schreibt: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. (…)“ (Zitat inhaltlich gekürzt). Daher werden in dieser Epoche häufig (Haut-)Krankheiten verklärt: Die Schwindsucht (Tuberkulose), an der viele Menschen starben, galt in der Romantik zugleich als „Krankheit der Dichter“, die der Haut eine ästhetische Blässe verlieh (1).  

Etwas zeitlich später beschreibt Nietzsche erstmals den Neologismus, d.h. die Wortneuschöpfung, der „Hautlichkeit“ (Originalzitat: „Was sie am liebsten haben, ist eine Oberfläche, ihre Hautlichkeit (…)“, Die Fröhliche Wissenschaft, 1882) (2). Damit dreht er die romantische Vorstellung um und betont, dass ihm die Oberfläche selbst als wertvoll gilt. Auch bei Thomas Mann bleibt die Haut sehr symbolisch, so schreibt er im Zauberberg: „Sie hatte die Hände aus dem Nacken gelöst, und ihre Arme, die sie öffnete, und an deren Innenseite, namentlich unter der zarten Haut des Ellbogengelenks, die Gefäße, die beiden Äste der großen Venen, sich bläulich abzeichneten, — diese Arme waren von unaussprechlicher Süßigkeit.“ (Thomas Mann, Der Zauberberg, Kapitel Forschungen) 
 

Expressionismus (ca 1910-1925): Haut als Symbol für die innere Zerrissenheit 

Das Bild der Haut wandelt sich mit dem Übergang zum Expressionismus. Die Haut ist hier nicht mehr zart, blass und verletzlich, sondern trägt jetzt, v.a. symbolisch, die Merkmale von Krankheit, Krieg und sozialem Elend. Typische Motive werden in dieser Zeit Wunden wie bei Kafka (aufgearbeitet in z.B. Die Wuchernde Wunde, Versehrungen der Körpergrenze bei Franz Kafka, Roman Seifert, 2023) oder deformierte Körper. Als Beispiel für das Bild der Haut in der expressionistischen Malerei zeigt der Künstler George Grosz eine groteske Trauerprozession durch eine nächtliche Großstadt (siehe Bild). In der Menge der Trauernden finden wir, wie Grosz selbst schreibt (3), Gesichter mit Syphilis, Alkoholabhängigkeit und Pest.  

Wie man bei Grosz sieht, ist die Haut im Expressionismus nicht mehr der romantische „Spiegel der Seele“, sondern plötzlich eher Leinwand des Schreckens. Die Haut wirkt nun als radikales Ausdrucksmittel für die Suche nach dem „Inneren“, jetzt aber oft grotesk, blutig und hässlich. Der Grundgedanke des Expressionismus war nicht (mehr), die Wirklichkeit realistisch zu zeigen, sondern den inneren Zustand: Angst, Zerrissenheit, Krankheit, Todesnähe. Die Haut als sichtbare Grenze des Körpers wurde dementsprechend wieder zum künstlerischen Symbol, um innere Zerstörung nach außen zu kehren. 

Expressionismus - Gottfried Benn als Dermatologe und Dichter 

Besonders spannend für uns als Vertreterinnen und Vertreter des Fachs Dermatologie ist der expressionistische Dichter Gottfried Benn (1886–1956), auf den ich in meiner Recherche aufmerksam geworden bin. Er gilt als einer der bedeutendsten Dichter der deutschsprachigen literarischen Moderne und hat nächstes Jahr gleich zwei Jubiläen: seinen 140. Geburtstags und seinen 70. Todestag.  

Benn war Facharzt für Dermatologie und Venerologie in Berlin. Wiederholt betonte er allerdings, die Medizin habe ihn innerlich nie beschäftigt und sei für ihn allein Broterwerb gewesen (4).  

 

Nach Studium und Promotion in Berlin arbeitete Gottfried Benn zunächst an pathologischen Instituten, in der Psychiatrie der Charité und als Schiffsarzt, bevor er sich bei an der Charité zum Dermatologen ausbilden ließ. 1917 eröffnete er in Berlin eine Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten, die er bis 1953 führte (5). Zwar finden wir kaum Dermatologie in seinen Texten, dafür umso mehr klinisch-pathologische Perspektive.  

 

Als Dichter wurde Benn im Jahr 1912 mit „Morgue und andere Gedichte“ bekannt. Mit drastischen Inhalten aus dem brach er mit bestehenden Konventionen und wurde zur Stimme des frühen Expressionismus. So schreibt er beispielsweise: 

 

„Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust. 

Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten? 

Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.“ 

(Aus: Mann und Frau gehen durch eine Krebsbaracke, Zitatquelle: www.babelmatrix.org/works/de/Benn%2C_Gottfried-1886/Mann_und_Frau_geh%E2%80%99n_durch_die_Krebsbaracke) 

Die Haut ist bei Gottfried Benn nicht nur (oder vielleicht kein?) Schutz, sondern eher ein Archiv des Lebens, das er in seiner Funktion als Dichter-Pathologe/Dermatologe beschreibt. Benns Gedichte wirken dabei eher kühl und beschreibend, und doch verwandeln sie gleichzeitig die eigentlich teils (fach)medizinischen Beschreibungen in Literatur. 

 

Problematisch bleibt seine anfängliche Sympathie für den Nationalsozialismus, von der er sich später distanzierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Gottfried Benn in der Bundesrepublik zu einer literarischen Autorität erhoben und erlebte eine späte Phase des Ruhms. In der DDR wurde sein Werk lange Zeit abgelehnt (4). 

Fazit 

So unterschiedlich die Symbolik der Haut in Malerei und Literatur in beiden Epochen auch eingesetzt wird, hat sich beim Recherchieren und Schreiben für mich doch eine verbindende Linie gezeigt: Haut wurde besonders in diesen Epochen über ihre medizinische Funktion hinaus als Symbol verstanden. Für die Romantiker zeigte die Haut dabei die Empfindsamkeit, für die Expressionisten den Verfall. 

In beiden Epochen spielt zudem die Dermatologie eine Rolle – besonders interessant erscheint dabei Gottfried Benn, der sowohl als Dermatologe wie auch als Dichter des Expressionismus wirkte. 

 

Zum Abschluss möchte ich meine eigene Sichtweise auf die Recherche teilen: Mich hat einerseits die Vielfalt an Interpretationen, Darstellungen und Dichtungen rund um die Haut und ihre Symbolkraft fasziniert. Andererseits kam mir mehrfach der kritische Gedanke: Meiner Meinung nach ist ebenfalls wichtig, dass wir die Haut eben nicht nur als Spiegel oder Symbol lesen. Hautkrankheiten sind reale Leiden und wenn Kunst und Literatur die Haut symbolisch nutzen, kann das gegebenenfalls für tatsächlich an Hautkrankheiten Betroffene belastend sein. In den Beispielen die ich gefunden habe, dient Haut oft als Mittel, um etwas anderes sichtbar zu machen, was dann jedoch gleichzeitig problematisch wird, wenn die reale Erfahrung betroffener Menschen dabei unsichtbar bleibt und/oder zusätzliche Stigmatisierung durch den Symbolcharakter entsteht. 

 

Die Recherche war für mich auf jeden Fall wieder sehr spannend und freue mich, wenn sie auf interessierte Blog-Leserinnen und -Leser stößt. 

 

Viele Grüße 

Katharina (Ginter) 

 

 

Anmerkung: Wer sich für dermatologische Geschichte interessiert, gibt es noch weitere Artikel im JuDerm Blog (https://www.juderm.de/aktuelles/juderm-blog/details/meisterinnen-und-meister-der-hauterkrankungen/) und (https://www.juderm.de/aktuelles/juderm-blog/details/sophie-spitz-und-helene-ollendorff-curth/) zu Dermatologie und Kunst gibt es den Artikel (https://www.juderm.de/aktuelles/juderm-blog/details/dermatologie-und-kunst/). Viel Spaß beim Lesen. 

 

Quellen 

1. Geheimrath Dr. Dettweiler´s Taschenflasche für Hustende [Internet]. [zitiert 8. September 2025]. Die Tuberkulose als Stimulanz ... Verfügbar unter: blauerheinrich.jimdofree.com/tb-und-kunst/ 

2. Hron I. Sit venia verbo: A case for dermacriticism. Orb Litt. 2024;79(5):449–71.  

3. The Funeral (Grosz). In: Wikipedia [Internet]. 2025 [zitiert 8. September 2025]. Verfügbar unter: en.wikipedia.org/w/index.php;

4. Ärzteblatt DÄG Redaktion Deutsches. Deutsches Ärzteblatt. 2006 [zitiert 8. September 2025]. Gottfried Benn (1886–1956): Stets ein Gefangener der Resignation. Verfügbar unter: www.aerzteblatt.de/archiv/gottfried-benn-1886-1956-stets-ein-gefangener-der-resignation-1c7d94c6-52a4-42d9-bbcf-633a81267c59 

5. Gottfried Benn. In: Wikipedia [Internet]. 2025 [zitiert 8. September 2025]. Verfügbar unter: de.wikipedia.org/w/index.php;

 

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