Ein Plädoyer für mehr Offenheit und Austausch Hospitationen – warum sie uns alle weiterbringen

Hospitationen sind ein Fenster in andere Welten: Sie zeigen, wie unterschiedlich unser Fach gelebt werden kann – und wie sehr wir voneinander profitieren. Trotzdem wird es zunehmend schwieriger, Hospitationen an Kliniken zu realisieren. Warum das schade ist, welche Chancen in Hospitationen liegen und wie man heute am besten eine findet, liest Du hier.

Während der Weiterbildung zur Dermatologin oder zum Dermatologen absolvieren wir unsere Ausbildung durchschnittlich an ein bis drei Kliniken oder Praxen. Wir lernen Abläufe, Kollegen, Strukturen und Routinen kennen – und bewegen uns dabei meist in einem recht festen System. Umso wertvoller sind Hospitationen: Sie öffnen den Blick über den Tellerrand und zeigen, wie vielfältig unser Fach tatsächlich ist.   
 
Ich erinnere mich noch gut an meine Hospitation in Wien – sie war für mich ein echter Perspektivwechsel. Schon nach wenigen Tagen wurde mir klar, wie unterschiedlich diagnostische Vorgehensweisen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und Patientenkommunikation sein können. In einem anderen Umfeld zu sehen, wie Kolleginnen und Kollegen denken und arbeiten, hat meinen eigenen Blick geschärft. Oft sind es gerade die kleinen Details, die man später in den eigenen Alltag mitnimmt: eine besonders klare Dokumentationsstruktur, eine elegante Naht, ein effektives Terminmanagement oder einfach eine wertschätzende Teamkultur.   
 
Hospitationen sind nicht nur fachlich bereichernd – sie fördern auch Austausch und Kollegialität. Man lernt andere Weiterbildungsstätten kennen, knüpft Kontakte und baut Netzwerke auf, die oft über Jahre tragen. Gerade in einem Fach wie der Dermatologie, das so viele unterschiedliche Facetten bietet, können Hospitationen Türen öffnen – fachlich und menschlich.   
 
Umso bedauerlicher ist es, dass Hospitanten vielerorts nicht mehr gern gesehen werden. Mir selbst ist es in letzter Zeit gleich dreimal passiert, dass eine geplante Hospitation abgelehnt wurde. Der Grund wird selten klar benannt, dürfte aber darin liegen, dass manche Häuser vermeiden möchten, dass Hospitationen für Logbuchpunkte genutzt werden – vor allem in Bereichen, die traditionell nur stationär vermittelt werden.   
 
Möglicherweise steckt dahinter auch die Sorge, dass weniger junge Ärzte langfristig in der Klinik bleiben, wenn Weiterbildungspunkte flexibler erworben werden können. Doch gerade darin liegt eine große Chance: Mehr Flexibilität erlaubt es, Erfahrungen auch außerhalb starrer Strukturen zu sammeln – oft unter Bedingungen, die besser mit Familie und Privatleben vereinbar sind, ohne dass die Qualität der Weiterbildung leidet – und das ist in einem zunehmend weiblich geprägten Fach sicherlich nicht von unerheblicher Bedeutung.   
 
Zudem gibt es auch im niedergelassenen Bereich längst einen spürbaren Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten. Anstatt Hospitationen zu erschweren, sollten wir den Nachwuchs ermutigen, sich breit aufzustellen und Erfahrungen in unterschiedlichen Arbeitsumfeldern zu sammeln. Hospitationen könnten hier eine echte Brücke sein – zwischen Klinik und Praxis, zwischen Theorie und gelebtem Alltag, zwischen Ausbildung und Berufung.   
 
Hospitationen bedeuten für mich: Voneinander lernen, sich gegenseitig inspirieren und das eigene Tun hinterfragen dürfen. Sie sind ein kleines, aber kraftvolles Instrument, um die Weiterbildung lebendig, vielseitig und offen zu halten.   
 
Vielleicht sollten wir sie wieder stärker als das begreifen, was sie eigentlich sind – ein Zeichen von Interesse, Kollegialität und Lernfreude.   
 
Wie kommt man heute gut an eine Hospitation? 
Oft führt der Weg über persönliche Kontakte – und dafür braucht es vor allem Offenheit und ein starkes Netzwerk. Wer neugierig bleibt, Kollegen kennenlernt, Fortbildungen besucht und den Austausch pflegt, wird schnell merken, wie viele Türen sich dadurch öffnen. Auch Netzwerke wie zum Beispiel „MumDocs“  – für Ärztinnen mit Familie - zeigen, wie wertvoll gegenseitige Unterstützung ist wenn man ähnliche Themen und Herausforderungen teilt und wie sie im Alltag gelebt werden kann. 

Und manchmal heißt es einfach: Kreativ sein! Eine Hospitation im Ausland oder auch in einem anderen Fachgebiet zum Beispiel kann neue Perspektiven eröffnen und die eigene Entwicklung enorm bereichern. Wichtig ist, sich nicht von möglichen Hürden abschrecken zu lassen. Freundlich, offen und unkompliziert auf Verantwortliche zuzugehen, wirkt oft Wunder – denn wer selbst flexibel und lösungsorientiert ist, steckt damit auch andere an. Hospitationen leben von Initiative – und genau die brauchen wir, um unser Fach lebendig zu halten. 
 

Eure Jasmin

Dr. Jasmin Schießl gehört seit November zum Blogger-Team von JuDerm. Die Weiterbildungsassistentin der Dermatologie bereitet sich gerade auf Ihre Facharztprüfung vor und verfügt bereits über Berufserfahrung als Tierärztin. Mit ihrem spannenden Hintergrund und den aktuellen Erfahrungen als WBA nach neuer Prüfungsordnung freuen wir uns auf interessante Einblicke und coole Geschichten. Herzlich willkommen im Team, liebe Jasmin!