Die neue Musterweiterbildungsordnung – ein Kommentar

Lange wurde spekuliert – Wann kommt sie endlich? Wann ist sie verabschiedet?

Ja wer oder was eigentlich? Die neue Weiterbildungsordnung (WBO)! In neuem Gewand und modernisiert macht sie ihren Weg. Nach langen Jahren der Vorbereitung und Beratungen mit den Berufsverbänden und Fachgesellschaften stand die Grobversion der neuen Weiterbildungsordnung fest. Weitere Zeit verging und es wurde referiert, diskutiert und abgestimmt bis 2018 auf dem 121. Deutschen Ärztetag endgültig die neue Muster-Weiterbildungsordnung beschlossen wurde. Auf Bundesebene wurde die neue WBO schon im November 2018 verabschiedet. Auf Bundesebene – was heißt das eigentlich? Die Muster-Weiterbildungsordnung hat nur empfehlenden Charakter für die Landesärztekammern, diese sollen die Muster-WBO jedoch möglichst einheitlich verwirklichen. Bis heute ist sie nicht in allen Bundesländern verabschiedet – in den meisten jedoch trat die neue WBO im Juli diesen Jahres in Kraft. Anfang November folgte Hamburg, im Januar wird voraussichtlich Sachsen nachziehen. In Bayern und im Saarland wurden wenige einzelne Regelungen in die alte WBO eingefügt, die Übernahme der Muster-WBO erfolgte allerdings noch nicht. Auch Berlin und Rheinland-Pfalz fehlen noch. Doch keine Panik- es gibt Übergangsbestimmungen und somit kann man die Facharztausbildung nach neuer WBO abschließen, trotz Beginn nach der alten WBO.

Wie sieht das neue Gewand der WBO aus? Ich würde sagen viel Grün, viel Hoffnung für Erneuerung, und casual bzw. angenehm zu tragen soll es sein, es zwickt nicht mehr hier und da – denn schließlich lernt es sich in Jogginghose besser als im Anzug. Und darum geht es doch in der Facharztausbildung – vor allem um den Zugewinn von Wissen und Fertigkeiten.

Was ist nun das Neue an der WBO und inwiefern wurde sie vereinfacht? Ich würde die WBO eine aktualisierte WBO nennen, denn natürlich gibt es weiterhin die verschiedenen Facharztbezeichnungen (in der neuen WBO 51) und logischerweise deckt sich der Inhalt einigermaßen mit dem Inhalt der alten WBO, ein Dermatologe wird keinen Herzkatheter durchführen. Die Schwerpunktbezeichnungen und Zusatzweiterbildungen wurden angepasst und erweitert, letztere können teilweise auch berufsbegleitend erworben werden. Die Struktur und Gliederung der WBO in Abschnitt A (Paragraphenteil), B (Gebiete und Schwerpunktweiterbildungen) und C (Zusatzweiterbildungen) wurde beibehalten.

Doch die WBO wurde verändert und angepasst. Angepasst an die aktuellen Bedingungen, angepasst an die Bedürfnisse der Weiterbildungsassistenten und Weiterbildungsstätten. Schon lange ist der Trend in die ambulante Versorgung gerade in der Dermatologie sichtbar. Ein Transplantat, eine komplizierte systemische Therapie? All dies ist nicht mehr zwingend an einen stationären Aufenthalt gebunden, sondern wird im ambulanten Bereich abgedeckt. Das Müssen wurde reduziert, das Dürfen erhöht. Mit positiver Verstärkung ab in die Zukunft! Quälen wir uns nicht mehr mit dem Abarbeiten vorgegebener Mindestzahlen für bestimmte Eingriffe. Wählen wir den Arbeitsplatz nach eigenem Wunsch – nicht nach Vorschrift, wie viel stationäre Zeit noch fehlt. Ja richtig gelesen, in der Dermatologie (und vielen anderen Facharztbezeichnungen) fallen die Vorgaben und die Verpflichtung zu stationären Zeiten weg! Es ist also möglich, die Weiterbildung komplett ambulant zu absolvieren. Außerdem wurden die zu erreichenden Richtzahlen bei Eingriffen reduziert oder grundlegend gestrichen. Allgemein ist der Grundgedanke der neuen WBO ein anderer als bisher – Jetzt geht es um Kompetenzen, es geht um das Erlangen von Fertigkeiten. Es zählt nicht mehr, wie viel man gemacht hat, sondern ob man es am Ende selbstständig durchführen kann und sicher beherrscht. Die kompetenzbasierte WBO gliedert die Kompetenzen in kognitive und Methodenkompetenzen und Handlungskompetenzen. Diese Kompetenzen stehen im Vordergrund anstatt dem bisherigen strikten Ableisten von bestimmten Zeiten und der vorgeschriebenen Anzahl an Prozeduren. Qualität statt Quantität!

Nun fragt sich so manch einer – wie soll die WBO realisiert werden? Einige ambulante Zentren oder Praxen bieten ja nicht das komplette geforderte Spektrum an. Hier zeigt die Entwicklung den Weg in Richtung Verbundweiterbildung – mehrere Weiterbildungsstätten schließen sich zu einem Verbund zusammen, in dem die Assistenzärzte rotieren und somit einen Einblick in alle Gebiete und geforderten Bereiche bekommen. Dieser intensive Austausch führt zur stetigen Verbesserung nicht nur der Weiterbildung, sondern auch der Qualität der medizinischen Versorgung im Allgemeinen und davon profitieren schlussendlich die Patienten.

Insgesamt ist festzustellen, dass die neue WBO vielen Assistenzärzten und Weiterbildenden zugutekommen wird. Sie ermöglicht Flexibilität und Wahlmöglichkeit. Hierdurch können sowohl Assistenzärzte ihre Weiterbildungsstätte als auch Weiterbildende ihre Assistenzärzte freier wählen. Zudem wird die Qualität der Weiterbildung verbessert – während es früher schon mal vorkam, dass nach der Assistenzarztzeit alle vorgegebenen Eingriffe und Zahlen einfach unterzeichnet wurden, obwohl viele ihre Hauptzeit auf Station in der Klinik verbrachten und manche erst spät einen OP von innen zu sehen bekamen, kann heute durch die neue WBO und die damit einhergehende Freiheit mehr Weiterbildung gelehrt und gelebt werden. Dokumentiert wird dies alles in dem an die neue WBO angepassten LogBuch, das in Zukunft auch online als eLogbuch verfügbar sein wird.

Wenn man sich so umhört, gibt es sehr viele positive Reaktionen auf die WBO. „Wenn man langfristig im niedergelassenen Bereich arbeiten möchte, bietet die neue WBO die Möglichkeit, sich in groß strukturierten Praxen in jedem Gebiet weiterzubilden. Besonders toll ist die Anbindung an einen Facharzt mit Rücksprachemöglichkeit, die z.B. in der Klinik mit Diensten nicht immer in dem Maße gegeben ist.“ – meint ein Assistenzarzt, der seine Facharztausbildung im ambulanten Bereich absolviert. Einer anderen Assistenzärztin gefällt die enge Beziehung zu den Patienten im ambulanten Bereich, die Betreuung über längere Zeit und die dadurch ausbleibende Anonymität. „Ein Nachteil an fehlender stationärer Zeit könnte sein, dass man sehr seltene Dermatosen nicht zu Gesicht bekommt und ausgeprägte Stadien von Erkrankungen seltener sieht. Dafür darf man im ambulanten Bereich schneller Patienten selbstständig versorgen und über die Therapie entscheiden. Außerdem zeigt die neue WBO mehr Bezug zu modernen Therapien und Behandlungsmethoden.“ Die kompetenzbasierte WBO kommt gut bei den Assistenzärzten an, viele begrüßen die Entwicklung hin zu Kompetenzen und die Familienfreundlichkeit. Kritik besteht jedoch noch an der Umsetzung. Beispielsweise gibt es in manchen Bundesländern noch keine Antragsformulare für die neuen Weiterbildungsbefugnisse für Weiterbildungsstätten, obwohl die WBO schon seit Monaten verabschiedet ist.

Aktuell herrscht pure Begeisterung über die neue WBO und die meisten fühlen sich im neuen Gewand sehr wohl – ob es im Alltag tragbar und komfortabel ist, zeigt sich wie bei neuen Kleidungsstücken oft erst mit der Zeit. Hier reibt eine Naht, dort rutscht es immer hoch? Bleibt abzuwarten, ob es in ein paar Jahren noch so neu und strahlend erscheint, oder hier und da an ein paar Stellen geflickt oder umgenäht werden muss. Kleine Anpassungen und Re-Evaluationen werden sich die nächsten Jahre zeigen. Insgesamt stimmt der Weg in Richtung Flexibilität und qualitativem Kompetenzerwerb – ein Lob und Dank an alle, die an der neuen WBO über Jahre beharrlich mitgewirkt haben!

Dr. med. Katharina Fischer