AG Nachhaltigkeit in der Dermatologie

Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit (AGN) in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft – es geht voran


Kongressbericht 25th World Congress of Dermatology in Singapur – aus Sicht der AGN

Autor: Dennis Niebel

In diesem Jahr stand ein „zusätzlicher“ Kongress auf der globalen dermatologischen Agenda, da dieser nur alle vier Jahre stattfindet. Der Weltkongress (WCD - World Congress of Dermatology), ausgetragen von der International League of Dermatological Societies (ILDS). Hierbei handelt es sich um die Dachgesellschaft der nationalen dermatologischen Gesellschaften – in unserem Fall der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Passend zu einem Kongress, der die gesamte Welt versammeln möchte, wurde das Motto „Dermatology beyond borders“ ausgerufen. Die Veranstalter können sich dabei auf eine lange Tradition berufen, denn die Geschichte der 24 vorangegangenen Weltkongresse geht in das Jahr 1889 (Austragungsort: Paris) zurück. Bis in die 1970er Jahre fand der Kongress stets in Europa oder Nordamerika statt, 1982 wurde mit Tokyo dann erstmals der asiatische Kontinent besucht. Seitdem wird offenkundig auf eine ausgewogenere Verteilung geachtet, denn nach Zwischenstationen in (unter anderem) Sydney, Buenos Aires und Seoul wurde nun mit dem Stadtstaat Singapur erstmals Südostasien als Austragungsort gewählt. Passend zu einer Stadt voller Wolkenkratzer wurde mit dem „Suntec City“ ein hochmodernes Kongresszentrum gewählt, das auf sechs Etagen verteilt ausreichend Platz bot. Es waren zahlreiche Teilnehmer aus der Region anwesend, insbesondere das bevölkerungsreiche Indonesien schien stark vertreten zu sein. Es waren aber auch viele bekannte Gesichter aus Deutschland vor Ort. Die „Stars der Dermatologie“, damit meine ich die führenden Persönlichkeiten aus den wichtigsten Universitätskliniken der Welt, ließen sich diesen Termin, der mit nahezu einer ganzen Woche vom 02.07. bis 08.07. angesetzt war, ebenso wenig entgehen.
 
Durch die „nachhaltige Brille“ betrachtet kann und sollte man fragen, welchen Sinn es ergibt, etwa 15.000 Teilnehmer aus aller Welt zu versammeln, die mit ihrer Reisetätigkeit (ganz überwiegend Flugreisen) einen immensen CO2-Fußabdruck bedingen. Mit diesem Dilemma sah ich mich vor Abreise logischerweise auch konfrontiert. Im Nachhinein betrachtet war die Teilnahme für mich aber nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im Sinne der Nachhaltigkeit sinnvoll, da ich zahlreiche Gespräche mit Führungspersönlichkeiten der DDG, EADV, AAD und Industrievertretern zu dem Themenkomplex Nachhaltigkeit und Zukunftsvisionen für die Dermatologie führen konnte. Es wurde beim Weltkongress an vielen Stellen deutlich, dass an Nachhaltigkeit niemand vorbeikommt, dazu aber weiter unten mehr. 
Dieser Beitrag soll bewusst keine ausschweifende Abhandlung zum hohen touristischen Wert oder den einzigartigen kulturellen Aspekten des „Schmelztiegels“ Singapurs enthalten, wenngleich der Aufenthalt dort für mich äußerst interessant und reizvoll war. Sobald man die gewohnten Gefilde verlässt, beobachtet man die Umgebung ja viel aufmerksamer und so sind mir natürlich zahlreiche Dinge aufgefallen. Dass in Singapur keinerlei Müll herumliegt ist weithin bekannt, schließlich hat die Stadt angesichts teilweise horrender Strafen ja auch den doppeldeutigen Spitznamen „A fine city“. Nichtsdestoweniger fallen die saubere Umgebung und der rücksichtsvolle Umgang der Menschen miteinander positiv auf. Bei tropischen 30 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit über das ganze Jahr hinweg stellt sich dann allerdings fast zwangsläufig die Frage, wie man in Singapur eigentlich den Strom für die ubiquitären Klimaanlagen im „Eissturm-Modus“ erzeugt. Zum jetzigen Zeitpunkt wohl noch zu über 96% aus fossilen Quellen (Quelle: www.laenderdaten.info), was dazu beiträgt, dass der jährliche CO2-Ausstoß pro Einwohner mit 9,5 Tonnen in Singapur sogar höher ist als in Deutschland (7,7 t/a) und global betrachtet im Ländervergleich auf Platz 21 landet. Die Regierung Singapurs hat das Thema Nachhaltigkeit aber für sich entdeckt und folglich den „Green Plan 2030“ ausgerufen. Verglichen mit europäischen Ansprüchen sind die Ziele teilweise etwas zurückhaltend formuliert, trotzdem sind Ambitionen spürbar und schon heute merkt man beispielweise, dass der ÖPNV stark subventioniert ist (eine Fahrt mit der Metro kostet pauschal 1 Singapur Dollar, im Juli 2023 waren das etwa 0,66€), die Nutzung eines eigenen Autos ist dagegen mit (sehr) hohen Abgaben belastet. Mit Berufung auf diesen Green Plan 2030 und die UN Sustainability and Development Goals hatte das Nationale Organisationskommittee, das sich aus der Dermatological Society of Singapore zusammensetzte, für den diesjährigen Weltkongress eine „grüne Agenda“ ausgerufen.

Dass unsere dermatologischen Kollegen aus Singapur das Thema Nachhaltigkeit bei diesem globalen Kongress so zentral platziert haben, wird hoffentlich anderen Kongressveranstaltern ein Vorbild sein. Auf der Kongresshomepage wurden drei Punkte unter dem Reiter „Sustainability“ gelistet. 
1.    Green Policy
2.    Green Nudges
3.    „One Million Tree Movement” / Spendenaufruf für den Garden City Fund
Die Green Policy war als eine Art Leitgedanke zu verstehen. In einem anschaulich gestalteten PDF-Dokument wurde das Thema sprachlich geschickt erläutert, sodass Teilnehmern aus aller Welt, die vielleicht bisher weniger Anknüpfungspunkte hatten, „Nachhaltigkeit“ näher gebracht wurde. Bei der Kongressplanung wurden im Vorfeld – so die Veranstalter - Themenfelder wie Müllvermeidung, Wasser- und Energieverbrauch, Verbrauchsmaterialien und Transport adressiert. Auch wenn die Umsetzung im Einzelnen noch verbesserungswürdig erschien (siehe Abbildung 3) so war zum Beispiel die kostenlose Metronutzung für Kongressteilnehmer ein starker Anreiz Taxis zu vermeiden.

Wie schon bei der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft im April 2023, die bereits ein Nachhaltigkeitskonzept umgesetzt hatte, gab es auch beim Weltkongress Wasserspender, um eigene Trinkflaschen aufzufüllen: ein sehr einfacher Weg den völlig unnötigen Anfall von Plastikflaschen zu reduzieren. In der Industrieausstellung wurden freilich dennoch Einwegbecher für den Kaffeeausschank genutzt, es gab reichlich Produktproben, Infomaterialien im Hochglanzdruck und aufwendige Messestände, deren Auf- und Abbau sicherlich einen nicht unerheblichen Müllberg produzierte. Fairerweise möchte ich anmerken, dass hierbei laut Veranstaltern strikt auf Mülltrennung geachtet wurde - Singapur strebt bis 2030 eine Erhöhung der Recyclingquote auf 70% an. Diesen Aspekt kann ich als Kongressbesucher also nicht beurteilen. 
Das Konzept der Green Nudges gefiel mir persönlich besonders gut, da ein Nudge (Deutsch: Stups) dazu führen soll, dass Teilnehmer die „richtigen Entscheidungen“ treffen ohne dass Nachteile oder zusätzlicher Aufwand für den Einzelnen entsteht. So wurden 25 „kleine Kniffe“ genannt, die zu besserer Nachhaltigkeit des Kongressbesuchs beitragen sollten. Beispielweise wurde die Nutzung der Kongress App propagiert, sowohl für die individuelle Programmplanung wie auch für die Nutzung digitaler anstatt analoger Visitenkarten. Die einzelnen gelisteten Nudges waren hierbei aus deutscher Sicht teilweise eher Selbstverständlichkeiten, nichtsdestoweniger fand ich es sinnvoll, solche Aspekte auch mal zu benennen (Beispiel: „Laufen Sie wenn möglich“). Ein weiterer Aspekt der nachhaltigen Agenda war die WCD Green Challenge. Hierzu waren pharmazeutische und dermokosmetische Industriepartner bzw. Medizinproduktehersteller aufgerufen, innovative Produktentwicklungen (nachhaltige Verpackung) bzw. innovative Herstellungsprozesse in den Wettbewerb einzureichen. Die Green Challenge ist leider auf dem Kongress für mich nicht weiter sichtbar gewesen und die Preisverleihung habe ich – wie wahrscheinlich viele andere Kongressteilnehmer auch - verpasst, da sie einen der allerletzten Programmpunkte darstellte. Nichtsdestoweniger ist es schlau und sinnvoll, Industriepartnern mit innovativen Lösungen eine Plattform zu bieten und den Wettbewerb in dieser Hinsicht zu fördern. Es ist wünschenswert, dass viel mehr solche Preise speziell für nachhaltige Initiativen in der Medizin ausgeschrieben werden, auch für Nachwuchsforscher in der Dermatologie. 
Das Herzstück eines Kongresses ist nun aber letztlich das wissenschaftliche Programm. Da teilweise über 20 Parallelsitzungen stattfanden und das Programm täglich von morgens früh bis abends angesetzt war, wurde hier wirklich jeder erdenkliche Aspekt der Dermatologie thematisiert. Mein persönliches Hauptaugenmerk lag auf Sitzungen zu den neuesten Studiendaten in den Indikationen atopische Dermatitis, Psoriasis und Hidradenitis suppurativa und in praktischer Fortbildung in der Dermatohistologie, das wissenschaftliche Programm wies aber darüber hinaus eine besondere Stärke auf: Die Abhandlung von „ILDS Hot Topics“. Hierunter wurden globale Zukunftsthemen verstanden, die länderübergreifend von hoher Bedeutung sind. Das Thema Nachhaltigkeit wurde hier folgerichtig wieder aufgegriffen. Prof. Eva Rawlings Parker aus der Vanderbilt University (Nashville, Tennessee), ihres Zeichens Mitglied in der Expert Resource Group on Climate Change and Environmental Affairs der American Academy of Dermatology, durfte einen Plenarvortrag zum Thema „Climate Change and Dermatology“ in einem Raum der Größe einer Konzerthalle halten. Mir gefiel ihr sachlicher und präziser Vortrag, der keinen Zweifel an der Notwendigkeit nachhaltiger Maßnahmen ließ, die Teilnehmerzahl lag sicherlich im hohen dreistelligen Bereich.  

Im persönlichen Gespräch im Anschluss hatte ich die Gelegenheit die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit in der Dermatologie (AGN) vorzustellen und die Möglichkeit zukünftiger Kooperationen zu skizzieren. Weitere Themenkomplexe, die im Rahmen der ILDS Hot Topics vorgestellt wurden, waren zum Beispiel vernachlässigte Tropenerkrankungen (Neglected Tropical Diseases) und Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit (Equity, Global Dermatology). Hier bewies die ILDS ihren einzigartigen Stellenwert und es war leicht erkennbar, wie wichtig eine dermatologische Dachorganisation ist, die entsprechende Themenfelder im globalen Kontext an politische Entscheidungsträger und internationale Organisationen wie z.B. die Weltgesundheitsorganisation (WHO) heranträgt.  
Wie ich bereits zuvor angedeutet habe, war das Kongresszentrum sehr modern und die Räumlichkeiten erstreckten sich über mehrere Stockwerke. So fand ich schließlich erst am dritten Tag eine weitere Halle neben der großen Industrieausstellung. Dort war es nicht nur möglich die vierstellige Zahl von E-Posterbeiträgen auf Bildschirmen anzuschauen (eine Menge eingespartes Papier gegenüber ausgedruckten Postern und in dieser Form auf sehr großen Kongressen ja auch bereits üblich), es waren auch Informationsstände von Fachgesellschaften, Patientenorganisationen oder den Organisationskommitees anderer bevorstehender Kongresse (z.B. XIV International Congress of Dermatology in Rom 2025) zu finden. Besonders positiv erlebte ich ein Gespräch mit Branca Marinovic (President Elect der EADV), die mich über Nachhaltigkeitsbestrebungen bei anstehenden EADV Aktivitäten aufgeklärt hat. Ebenfalls in dieser Halle konnte ich die Informationsstände der „Bidding Committees“ zur Vergabe des kommenden Weltkongresses im Jahr 2027 besuchen. Trotz des großen Engagements konnte sich die deutsche Bewerbung um den Standort München am Ende nicht gegen die mexikanische Konkurrenz mit dem Veranstaltungsort Guadalajara durchsetzen. Es bleibt zu hoffen, dass der Weltkongress 2031 dann nach Deutschland zurückkehrt – der letzte deutsche Weltkongress fand 1987 in Berlin statt. 

Mein Gesamtfazit zum Weltkongress fällt also positiv aus. Die hier gesetzten Akzente für Nachhaltigkeit sollten auf anstehenden Kongressen und Veranstaltungen weiter ausgebaut werden und natürlich auch in unseren ärztlichen Alltag integriert werden. In Anbetracht der gefühlt eher steigenden Zahl internationaler Veranstaltungen sollten Präsenzteilnahmen mit der damit einhergehenden Reiseaktivität allerdings kritisch abgewogen werden. Die Möglichkeit des Livestreamings bzw. Inhalte „On-Demand“ anzuschauen muss aus meiner Sicht bei internationalen Konferenzen selbstverständlich angeboten werden. Ich persönlich vermisse noch stärkere Ambition in der Gestaltung einer nachhaltigen Industrieausstellung. Diesbezüglich sind „Wettbewerbe“ und Preisausschreibungen wie bei Weltkongress und DDG Jahrestagung ein guter Anfang.


Einweg vs. Mehrweg: Aufbereitung von medizinischen Instrumenten unter Nachhaltigkeitsaspekten in der ambulanten Praxis

Nicht einfach umzusetzen, aber möglich – wenn Hersteller und Anwender an einem Strang ziehen

Dr. med. Christina Hecker AK Plastik und Nachhaltigkeit in der Dermatologie
Stefanie Brauer Forum MedTech Pharma e.V.

 

• Die Entscheidung zwischen Mehrweg- und Einweginstrumenten ist nicht nur eine Frage von Klimaschutz und Nachhaltigkeit, sondern auch eine finanzielle Entscheidung.

• Um Antworten auf die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit zu finden, müssen wir außerhalb der bisherigen Möglichkeiten denken und neue (Geschäfts-)Modelle entwickeln.

• Schon bei der Produktentwicklung sollten alle Faktoren der Wiederaufbereitung mitberücksichtigt werden.

Der Einsatz von Einweginstrumenten nimmt in der Patientenversorgung stetig zu. Besonders im Bereich Kunststoffe zeigt sich, dass der Bedarf an bestimmten Rohmaterialien für die Herstellung von Einwegmedizinprodukten sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt hat (Statista, 2021). Schätzungen gehen davon aus, dass der Trend weiter anhalten und sich die Menge bis 2025 sogar verdreifacht haben wird (ebd.). Der Bedarf an Materialien für Mehrwegmedizinprodukte, wie z. B. Metalle, ist im gleichen Zeitraum nur geringfügig gestiegen. Der Trend ist sowohl bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten als auch in Kliniken erkennbar. Um eine klimaneutrale und nachhaltige Praxis zu betreiben, müssen die ökologischen Auswirkungen der genutzten Medizinprodukte mitbedacht werden. Doch was bedeutet das und welche Möglichkeiten gibt es im Bereich der Mehrweg- und Einweginstrumente?

Nutzung von Instrumenten in der Praxis

In niedergelassenen Praxen werden Medizinprodukte für verschiedene Eingriffe benötigt. Das kann vom kleinen Eingriff wie der Entfernung eines Muttermals bis zu größeren ambulanten Eingriffen reichen. Die Menge und die Art der verwendeten Instrumente sind dabei abhängig von der Art des Eingriffs, der Fachrichtung und selbstverständlich auch den Vorlieben der behandelnden Person. Doch was geschieht im Anschluss mit den verwendeten Instrumenten?

Aktuell sind folgende zwei Szenarien üblich:

  • Beim Einsatz von Einwegmedizinprodukten werden diese entsorgt.
  • Beim Einsatz von Mehrwegmedizinprodukten werden diese in der Praxis wiederaufbereitet.

Einsatz von Einwegprodukten

Einwegmedizinprodukte z. B. aus medizinischem Edelstahl werden sicher verpackt und landen schlussendlich im Hausmüll. Die metallischen Bestandteile werden in der Abfallwirtschaft zwar herausgefiltert und eingeschmolzen, allerdings nicht sortenrein. Aus dem hochwertigen medizinischen Edelstahl wird also ein minderwertigeres Produkt – klassisches Downcycling. Von einem funktionierenden Kreislauf kann hier nicht gesprochen werden.

Einsatz von Mehrwegprodukten

Bei Mehrwegmedizinprodukten gibt es einen Hauptweg: Die Praxis bereitet diese selbst wieder auf. Gleichzeitig ist der Aufwand zur Wiederaufbereitung, beispielsweise mit Dampfsterilisation im Autoklaven, aufwändig und kostenintensiv (Anschaffungskosten, Platz, Personalschulung, regelmäßig erforderliche Wartung und Validierung der Geräte etc.). Außerdem muss der Prozess selbst lückenlos dokumentiert sein und darf nur durch geschultes Personal durchgeführt werden. Des Weiteren liegt die Haftung für etwaige Fehler bei der Praxis selbst. Die gemeinsame Nutzung der Ressourcen durch eine gemeinsame Sterilisation von Medizinprodukten verschiedener Praxen im selben Haus ist ebenfalls aufgrund der Haftung zu riskant und daher nicht umsetzbar. Der Einsatz von Einwegmedizinprodukten liegt also nahe, ist jedoch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten keine befriedigende und zukunftstaugliche Lösung.

Um also ökologische Auswirkungen infolge hoher Abfallaufkommen durch Verpackungen und Einweginstrumente zu reduzieren, wäre es besser, Mehrwegprodukte zu bevorzugen und diese wiederaufzubereiten – trotz aller Risiken. Des Weiteren können viele Einwegprodukte nicht allen Qualitätsansprüchen gerecht werden. Ein weiterer Grund, um Mehrwegprodukten den Vorzug zu geben.

Herausforderung Wiederaufbereitung unter ökologischen Gesichtspunkten

Die Art und der Aufwand der Wiederaufbereitung sind von verschiedenen Faktoren abhängig, die vor allem in der ISO 17664 und den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts aufgeführt werden. Zum einen wird die Kritikalität des Produkts bewertet: von nicht kritisch (Produkte die maximal mit intakter Haut in Kontakt kommen) über semikritisch (Produkte, die mit Schleimhäuten und nichtintakter Haut in Kontakt kommen) bis kritisch (Produkte, die in sterile Teile des Körpers eindringen). Des Weiteren wird in die Klassen A (ohne besondere Anforderungen an die Aufbereitung) und B (mit besonderen Anforderungen an die Aufbereitung) unterschieden. Daraus ergeben sich die erlaubten Verfahren zur Wiederaufbereitung, z. B. ob manuell oder maschinell wiederaufbereitet werden darf.

Notwendigerweise müssen die Autoklaven so lange wie möglich im Einsatz sein, um rentabel für die Praxis zu sein und gleichzeitig den Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht zu werden. Dazu zählt auch, dass die Produkte reparierbar sind und Verschleißteile einfach und kostengünstig ausgetauscht werden können.

Design und Materialien

Außerdem ist der Aufwand zur Wiederaufbereitung entscheidend vom Medizinprodukt selbst abhängig. Trotz mancher diesbezüglicher Anstrengungen und Fortschritte sind auch die Hersteller weiterhin stark gefordert, die Medizinprodukte so entwickeln, dass sie möglichst einfach wiederaufbereitet werden können. Die Geometrie sollte so gewählt werden, dass alle Bereiche möglichst leicht zugänglich sind und beispielsweise Hohlräume oder schwer zu reinigende Kanten und Mechaniken vermieden werden. Gleichzeitig gilt es, das geeignete Material zu finden, um möglichst viele Aufbereitungszyklen bei gleichbleibender Produktqualität zu gewährleisten. Auch die Wahl der Aufbereitungsart und die dabei verwendeten Chemikalien sollten schon bei der Produktentwicklung mitberücksichtigt werden.

Wartung und Reparatur

Nachhaltige Praxisführung ist in diesem Fall auf den Kooperationswillen von Herstellern angewiesen, denn ohne das Interesse, Verschleiß- und Ersatzteile bereitzustellen – häufig auch über einen langen Zeitraum – und Produkte geeignet zu entwickeln, ist eine sinnvolle Nutzung nicht möglich. Das Recht auf Reparatur wurde zwar vom EU-Parlament verabschiedet, ein Vorschlag für eine Richtlinie von der EU-Kommission wird aber erst für Mitte/Ende 2022 erwartet. Der Trend hin zu mehr Einwegprodukten ist aus marktwirtschaftlicher Perspektive, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung setzt und die globalen Folgekosten nicht mit einpreist, nur zu verständlich, allerdings völlig entgegen einer sinnvollen Antwort auf die ökologischen Herausforderungen dieser Zeit.

Externe Wiederaufbereitung

Eine weitere Option, um sowohl den Aufwand also auch die Risiken in den Praxen zu minimieren und die ökologischen Auswirkungen zu reduzieren, ist der Rückgriff auf externe Wiederaufbereiter. In der Praxis ist das jedoch komplizierter als gedacht:

  • Finanziell: Es werden mehr Instrumente benötigt, um stets eine ausreichende Anzahl zur Verfügung zu haben. Der Service ist im Schnitt etwa doppelt so teuer wie die eigene Wiederaufbereitung.
  • Ökologisch: Es existieren relativ wenig Wiederaufbereiter, der Transport muss in der Bilanz ebenfalls berücksichtigt werden.

Bei größerem Interesse von Praxen an einem solchen Modell ist jedoch vorstellbar, dass sich ein flächendeckendes Netz von Wiederaufbereitern entwickelt, sodass die externe Wiederaufbereitung eine echte ökologische Alternative sein kann, die gleichzeitig die Praxen entlastet – sowohl personell als auch beim Haftungsrisiko.

Denkt man das Thema weiter, im Sinne einer sharing economy, so sind noch weitere Ansätze denkbar: Wichtig ist, dass die behandelnden Personen die passenden Instrumente erhalten. Aber müssen das ihre eigenen sein? Könnte ein Wiederaufbereiter nicht einen Pool an Instrumenten vorhalten, aus dem sich die Praxen das von ihnen benötigte Material bestellen – quasi ausleihen – und nach der Benutzung wieder zurückgeben? Besonders für seltene Eingriffe müsste kein Spezialinstrumentarium vorgehalten werden und OP-Sets könnten passend für die jeweiligen geplanten Eingriffe bestellt werden. So könnten unnötige Wiederaufbereitungen durch falsch zusammengestellte Sets minimiert werden und die Ressourcen für die Wiederaufbereitung, Verpackung und Transport gespart werden.

Fazit

Im Bereich Mehrweg- und Einweginstrumente ist viel Potenzial in Bezug auf nachhaltige Praxisführung vorhanden. Hersteller und Anwender sind beide gefragt, Alternativen bereitzustellen und diese auch nachzufragen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf das Recht auf Reparatur werden gerade in Brüssel noch diskutiert – welche Anforderungen auf die Hersteller zukommen, ist aktuell noch unklar.

Externe Links

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Aufb_MedProd/Aufb_MedProd_node.html

Normative Verweise

https://www.beuth.de/de/norm/din-en-iso-17664-1/344664906

Quellen und Referenzen

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/653575/umfrage/weltweite-nachfrage-ausgewaehlter-rohmaterialen-fuer-medizinischer-einmalprodukten/#statisticContainer

Verwandte Inhalte

https://medteconline.de/info/magazine/blog/forschung-fur-mehr-nachhaltigkeit-im-gesundheitswesen-1?ref=/info/magazine/blog/einweg-vs-mehrweg-aufbereitung-von-medizinischen-instrumenten-unter-nachhaltigkeitsaspekten-in-der-ambulanten-praxis

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Pressemeldung: Nachhaltigkeit: Top-Thema des Berliner DDG-Kongresses

Freiburg, 20. März 2023. In seinem aktuellen 6. Abschlussbericht mahnt der Weltklimarat (IPCC), dass sich die Erde noch schneller erwärmt, als bisher vermutet. Die bisherigen Maßnahmen, so lautet das Resümee der Wissenschaftler des IPCC, reichten bei weitem nicht aus um den Klimawandel einzudämmen. Mitverursacher dieser Entwicklung ist auch der Gesundheitssektor mit etwa 5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Bereits 2021 forderte der Deutsche Ärztetag deshalb von den medizinischen Fachgesellschaften die Transformation ihrer Fachbereiche durch sofortige Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen. Doch was genau heißt das? Wie lässt sich diese Forderung umsetzen und welche Konsequenzen hat das für die Dermatologie in Klinik und Praxis? Diese und anderen brandaktuelle Themen wird die AGN gleich an zwei Tagen auf dem DDG-Kongress in Berlin diskutieren.

Auf ihrer öffentlichen AGN-Sitzung AKS03! am Mittwoch den 26. April 2023 von 10:30 - 12:00 Uhr, CityCube Berlin, wird der Klimawandel sowie die weltweite Verschmutzung durch Plastik durch Vertreter der Umweltverbände des World Wide Fund for Nature (WWF) und Exit Plastik aufgezeigt. Bedenkliche Inhaltsstoffe gängiger topischer Therapien werden durch den international anerkannten Mikroplastikforscher Christian Laforsch, Universität Bayreuth, erläutert.

Das Symposium S11 von 15:30 Uhr bis 17:00 Uhr stellt unter dem Titel „Benefits durch Nachhaltigkeit - die Zukunft der Dermatologie!“ am Donnerstag, den 27. April 2023 verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit in Klinik und Praxis Thema sowie Impulse und Fortbildungsangebote vor. Alexander Nast, Leiter der evidenzbasierten Medizin der Dermatologie (dEBM), Charité Berlin, rundet das Themen mit der Diskussion zu nachhaltigem Verordnungsverhalten und Implementation in die dermatologischen Leitlinien ab.

Besucherinnen und Besucher des Kongresses sind herzlich eingeladen an beiden Veranstaltungen teilzunehmen. Persönliche Kontaktmöglichkeiten zum AGN bestehen am Stand A08 in der Haupthalle des CityCube Berlin.

Kontakt:
Dr. med. Dipl. Biol. Susanne Saha
Email: office(at)agderma(dot)de
www.agderma.de


Nachhaltigkeitskonzept 52. DDG-Tagung

Die 52. DDG-Tagung vom 26. bis 29. April 2023 in Berlin wird in Zusammenarbeit mit dem APN nachhaltig gestaltet.

Wie wir gemeinsam Ressourcen schonen und Energie sparen können, ist im aktuellen Konzept zur Tagungsplanung der DDG nachzulesen.


Willkommen AGN - Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit in der Dermatologie der DDG !

Nachdem JuDerm bereits im Dezember 2021 ein Interview mit der Initiatorin des frisch gegründeteten Vereins Dr. med. Dipl. Biol. Susanne Saha veröffentlicht hatten, werden wir Euch ab jetzt regelmäßig über die Themen nachhaltige Entwicklungen und Ressourcenverbrauch in der Dermatologie auf dem Laufenden halten.

Wichtig für Euch zu wissen: Der Gesundheitssektor ist weltweit mit ca. 5 Prozent an den Treibhausgasemissionen beteiligt. Das ist mehr als der globale Flugverkehr emittiert! Aus diesem Grund werden mittlerweile innerhalb der Ärzteschaft aller Fachrichtungen zunehmend Diskussionen geführt, wie Treibhausgasemissionen wirkungsvoll in allen Bereichen reduziert werden können. Hitzeschutz und Resilienz sind weitere große Themen. Umso wichtiger ist es nun konkrete Hilfestellungen zu liefern, um den individuellen und kollektiven ärztlichen CO²-Fußabdruck zu verkleinern.

Genau hier setzt die AGN an. Auf der Homepage www.agderma.de sind bereits viele Informationen zu nachhaltiger Praxisführung mit zahlreichen Tipps und Tricks sowie nachhaltigem Klinikmanagement gebündelt und kostenlos als Download verfügbar. Ein weiterer Fokus liegt auf der Ausbildung von Medizinischen Fachangestellten zu Klimamanager:innen. Ein Instrument, das nicht nur mehr Zufriedenheit im Team und bei Mitarbeiter:innen schafft, sondern neben einem deutlichen Imagegewinn für Praxen und Kliniken auch einen erheblichen finanziellen Benefit bietet. Weitere Informationen findet Ihr hier auf der Plattform der AGN-ZukunftsAkademie ab Oktober 2023. Darüberhinaus pflegt die AGN auch einen engen Austausch mit weiteren großen nachhaltigen Initiativen des Gesundheitssystems wie zum Beispiel der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG e.V.). 

Die Themen der AGN werden durch die DDG ausdrücklich unterstützt: Das Thema Nachhaltigkeit und damit die AGN war zum ersten Mal ein Top-Thema mit eigenem Symposium des DDG-Kongresses im April 2023 in Berlin.

Neugierig geworden? Über die Homepage kann ein Mitgliedsantrag (Link: https://agderma.de/mitglieder/) ganz einfach heruntergeladen und ausgefüllt werden. Mit ihrer kostenfreien Mitglidschaft unterstützen Mitglieder die Arbeit der AGN. Neumitglieder sind jederzeit herzlich willkommen.