Das Imposter (oder Hochstapler) - Phänomen

Habt ihr schon Reginas interessanten Blog-Artikel zum Dunning-Kruger-Effekt gelesen? Wenn nicht, jetzt ist die Gelegenheit. Denn heute soll es um das gegenteilige, in der Medizin nicht minder wichtige, Phänomen gehen: Das Imposter-Phänomen. Beginnen wir zunächst einmal mit etwas Theorie: Bei dem Imposter-Phänomen, auch bekannt als Hochstapler-Syndrom, unterschätzen die Betroffenen ihre eigenen Fähigkeiten, leiden unter Selbstzweifeln und haben das Gefühl, dass sie jederzeit als „Hochstapler“ entlarvt werden könnten. Erfolge werden eher dem Zufall zugeschrieben, Misserfolge oder Fehler eher internalisiert ¹. Der Begriff Imposter-Phänomen wurde schon 1978 von Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes beschrieben, damals insbesondere in Bezug auf leistungsstarke Frauen ². Heute zeigen neuere Studien, dass dieses Syndrom sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftritt; der Umgang jedoch geschlechterspezifische Unterschiede zeigt ³. Studien an Medizinstudenten legten die Bedeutung für den ärztlichen Beruf dar ⁴. Wen wundert das: So stehen potenzielle Medizinstudenten häufig schon in der Schulzeit unter enormen Druck immer ihr Bestes zu geben, um gute Noten zu erreichen und den geforderten Numerus clausus zu erreichen. Im danach folgenden Studium sind die Ansprüche noch höher und die Angst vorhanden in der Umgebung von gefühlt noch intelligenteren Kommilitonen nicht zu versagen; gefolgt von einem Beruf voller Verantwortung und Leistungsdruck. Schade, dass das Imposter-Syndrom vor allem Menschen betrifft, die besonders leistungsstark und gewissenhaft sind – Eigenschaften, die sich der Arbeitgeber und auch Patienten von ihrem Arzt eigentlich wünschen. Doch können diese Selbstzweifel der eigenen Karriere und vor allem dem eigenen Wohlbefinden schaden.

Das bekannte Zitat „Je mehr ich weiß, desto mehr erkenne ich, dass ich nichts weiß“ (Albert Einstein) ⁵ erklärt, warum zunehmendes Wissen und Erfahrungen im Beruf nicht nur für „ein besseres Verständnis für die eigenen Grenzen und eine angemessenere Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten“ ⁶ sorgen kann, sondern auch zur Entwicklung eines Imposter-Syndroms. Ich selbst kann dies auch durch den zunehmenden Wissenszuwachs, insbesondere während der Facharztvorbereitung, nachvollziehen. Je mehr man lernt, desto mehr stellt man fest, wie weit das vor einem liegende Feld voller weiterem Wissen ist. Und auch hier lässt sich eine Brücke zu dem Titelbild des Blog-Beitrags zum Dunning-Kruger-Phänomen schlagen (schaut es euch gerne nochmal an): Je weiter ich blicken kann auf meinem Berg (oder hier den Schultern des Riesen) voller Wissen, desto mehr erkenne ich das weite Tal voller Unwissen vor mir, das es zu erobern gibt ⁶.

Dem Dunning-Kruger-Phänomen und dem Imposter-Phänomen ist also eins gemein: Die fehlerhafte Selbsteinschätzung. Daher kann auch für Betroffene vom Imposter-Syndrom eine gutes Mentoring-Programm hilfreich sein mit einer Fokussierung auf die Stärken des Betroffenen, einer offenen Kommunikation und Reflexion sowie einer unterstützenden Arbeitsumgebung. So kann ein Bewusstsein für die fehlerhafte Selbsteinschätzung zu einem realistischeren Selbstbild führen und das volle Potenzial dieser wertvollen Mitarbeiter ausgeschöpft werden. 

Wie geht es euch, könnt ihr Aspekte vom Dunning-Kruger-Phänomen oder dem Imposter-Syndrom in euch wiederfinden? Wie geht ihr damit um? Ich bin gespannt auf eure Kommentare,

Frederieke

 

Quellen:

1 de.wikipedia.org/wiki/Hochstapler-Syndrom

2 Clance, P. R., & Imes, S. A. (1978). The imposter phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeutic intervention. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 15(3), 241–247. https://doi.org/10.1037/h0086006

3 Badawy, R. L., Gazdag, B. A., Bentley, J. R., & Brouer, R. L. (2018). Are all impostors created equal? Exploring gender differences in the impostor phenomenon-performance link. Personality and Individual Differences, 131, 156–163. https://doi.org/10.1016/j.paid.2018.04.044

4 Rosenthal S, Schlussel Y, Yaden MB, et al. Persistent Impostor Phenomenon Is Associated With Distress in Medical Students. Fam Med. 2021;53(2):118-122. doi.org/10.22454/FamMed.2021.799997.

5 https://anthrowiki.at/Ich_weiß,_dass_ich_nichts_weiß

6 https://www.juderm.de/juderm/blog/der-dunning-kruger-effekt.html

 

Foto: www.freepik.com/free-photo/woman-with-eating-disorder-having-pea-her-plate_21534926.htm