Als Dermatologin ins Ausland

Kirsten ist als Dermatologin und Allergologin gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nach Norwegen ausgewandert, um dort zu arbeiten. Warum sie diesen Schritt nicht bereut, erfahrt ihr im nachfolgenden Interview, das ich mit ihr geführt habe.

Kirstens Beweggründe für das Auswandern lagen vor allem in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: „Ich habe eine Möglichkeit gesucht Familie und Job zu vereinbaren, das heißt Karriere plus Familie und nicht nur Zeit in der Klinik. Ich hatte in Deutschland oft das Gefühl, dass ich meine Kinder fast nie sehe bzw. nur eine halbe Stunde vorm zu Bett gehen und eine halbe Stunde am Morgen – das fand ich frustrierend in der Klinik“. Die hohen Patientenzahlen und wenig Zeit für einen Patienten sprachen für Kirsten gegen einen Wechsel in eine Praxis in Deutschland: „Ich wollte die Verbindung aus genügend Zeit im Job, um einen guten Job zu machen, aber gleichzeitig auch genug Zeit für die Familie“.

Dass die Wahl auf Norwegen gefallen ist, war reiner Zufall. Ursprünglich hatte Kirsten Dänemark ins Auge gefasst, aufgrund vorhandener Dänisch-Kenntnisse. „Ich habe eine Kollegin gefragt, ob sie mich nach Dänemark empfehlen könnte. Und diese Kollegin hatte dann einen alten Bekannten, der in Norwegen ist und dann hab ich mir gedacht, warum nicht Norwegen und hab es mir eine Woche im Urlaub angeschaut“. Nachdem die Entscheidung auf Norwegen gefallen war, suchte sie dann nach Jobangeboten im Internet und stieß auf eine alte Anzeige von jemanden, der eine Vertretung in Norwegen suchte: „Ich habe denjenigen angeschrieben, ob er vielleicht immer noch eine sucht - 18 Monate später“. Und tatsächlich konnte Kirsten hier zwar nicht sofort, aber etwas später erste Erfahrungen als Urlaubsvertretung sammeln. Danach ging die Jobsuche auf einer nationalen Jobseite für Ärzte in Norwegen weiter. Die Chancen für Fachärzte seien dabei deutlich besser als für Assistenzärzte, erklärt Kirsten, aber auch für erfahrene Assistenzärzte gäbe es Möglichkeiten. Gleichzeitig begann sie fleißig norwegisch zu lernen: „Ich habe angefangen Volkshochschulkurse für Norwegisch zu belegen und habe mir ein Buch gekauft und habe abends, wenn die Kinder im Bett waren, immer norwegisch oder Allergologie gelernt. Ich habe ganz viel Youtube-Videos geschaut und mich mit dem Lehrbuch hingesetzt und jeden Abend ein paar Stunden norwegisch gelernt. Und einen Abend in der Woche habe ich mich mit einer Bekannten meiner Mutter über einen Videoanruf von der ersten Woche an auf norwegisch unterhalten – am Anfang noch sehr holprig....“.

Nachdem nach der Bewerbung dann eine Einladung zum Interview folgte, wurde Kirsten nach Norwegen eingeflogen: „Das Vorstellungsgespräch war total nett und ich habe dann eine bis zwei Wochen später die Jobzusage und einen Vertrag bekommen“. Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Suche nach einem Kindergartenplatz kam aus der Klinik: „Ich habe dann direkt ein Klinikhaus zur Verfügung bekommen, was im ersten Jahr auch fast vollständig von der Klinik bezahlt wurde und die haben mir den Link für die Kindergartensuche gegeben, was in Norwegen fast alles digital läuft und eine Woche später hatten wir einen Kindergartenplatz für beide Kinder in unserer Wunschkita“.

In der Klinik wurde Kirsten mit offenen Armen empfangen: „In der Klinik wird einem als Facharzt dann quasi der rote Teppich ausgerollt. Die sind so dankbar, gerade in Regionen wo es nicht so populär ist, also außerhalb von Großstädten, wie Bergen oder Oslo. Alle sind super nett, super freundlich, sehr hilfsbereit, sei es mit Freizeittipps oder mit irgendwelchen anderen Beratungen – wirklich traumhaft“.

Die Unterschiede zum Arbeiten in Deutschland sieht Kirsten vor allem bei der Zeitspanne, die man für einen Patienten hat: „Es gibt viel mehr Zeit für den Patientenkontakt, das heißt, in der Klinik hat man eine Taktung von einer halben bis einer dreiviertel Stunde für einen Patienten“. Die Patienten seien außerdem sehr geduldig und dankbar, dass sie einen Arzttermin haben.

Ein weiterer Unterschied seien die Zuständigkeiten der Fachrichtungen: „Es wird in Norwegen von den Dermatologen weniger operiert, vor allem in den kleineren Kliniken. Also kleine Exzisionen werden schon operiert, aber z.B. größere Lappenplastiken werden von der HNO gemacht oder von der plastischen Chirurgie. Und es gibt quasi keine Dermatoonkologie, die wird von den Onkologen übernommen. Also gewisse Bereich gibt es in Norwegen fast nicht“. Ansonsten gäbe es in Norwegen weniger unterschiedliche Medikamente: „… also man hat weniger Auswahl, aber das funktioniert trotzdem alles ziemlich gut“.

Zudem stellt Kirsten heraus, dass die Hierarchie in Norwegen flach sei: „Man wird mit seinem Wissen total ernst genommen, es gibt Diskussionen zwischen Chefarzt, Oberarzt und Assistenzarzt. Es gibt viele fachliche Diskussionen und regelmäßig Patientenfälle die im Kollegium besprochen werden. Auch die  Pflegekräfte werden viel eingebunden, es gibt für sie viele Schulungen und Fortbildungen. Es ist ein sehr kollegiales Miteinander“.

Das Arbeiten sei insgesamt deutlich entspannter, aber man müsse auch viel mehr selber organisieren, weil man in der Klinik häufig kein „Derma-Bett“ habe: „Man kann den Patienten dann vielleicht auf die Innere legen. Dermatologische Betten gibt es auch in den größeren Kliniken nur wenige und die sind dann natürlich nur für die ganz schwere Fälle“.

Kirsten habe ihre Entscheidung nach Norwegen zu gehen nicht bereut und würde es immer wieder machen. Kollegen, die mit dem Gedanken spielen auszuwandern, würde sie empfehlen, sich erstmal den Job vor Ort anschauen und zu hospitieren, um zu sehen, ob man das Arbeitsmilieu überhaupt mag. Das Lernen der Sprache sei dann der nächste wichtige Schritt. Anfängliche Schwierigkeiten sind dabei nicht ungewöhnlich: „Es ist ganz normal, dass man sich, wenn man anfängt zu arbeiten, blöd fühlt, weil man sich doch nicht so gut ausdrücken kann wie man es gewöhnt ist, aber das kommt dann ganz schnell. Heutzutage gibt es über das Internet ganz viele Möglichkeiten verschiedene Sprachen zu lernen, egal für welches Land man sich entschieden hat“. Wenn dieser Schritt gemeistert ist, empfiehlt Kirsten einfach loszulegen: „Die Unterlagen zusammensammeln, gucken, ob man einen Sprachnachweis braucht, die Anerkennung einreichen - das dauert ja alles immer“.

Vielen Dank liebe Kirsten für das interessante Interview.

Träumt ihr auch vom Auswandern oder habt schon Erfahrungen im Ausland im Studium oder PJ gesammelt? Schreibt gerne in die Kommentare. 

Eure Frederieke