Diagnose

Diagnose: Mycobacterium-fortuitum-Infektion nach Eigenfettinjektion

KRANKHEITSVERLAUF
Trotz unauffälliger Ziehl-Neelsen-/Fite-Färbungen ergaben die Mykobakterienkulturen multiresistente Mycobacterium (M.) fortuitum mit Sensibilität gegenüber Amikacin, Moxifloxacin und Trimethoprim/Sulfamethoxazol im Antibiogramm. Die Behandlung umfasste eine 30-tägige intravenöse Behandlung mit Amikacin (500 mg, 2 x täglich) und eine neunmonatige orale Behandlung mit Moxifloxacin (400mg, 1x täglich) und Trimethoprim/Sulfamethoxazol (960 mg, 2 x täglich). Nach 21 Tagen lehnte die Patientin eine weitere intravenöse Behandlung ab, stimmte aber der Fortsetzung der oralen Behandlung zu. Sie stellte sich wöchentlich zur Punktion und Spülung vor und lehnte weitere Inzisionen ab. Zwei Monate nach Beginn der gezielten Antibiose und der erneuten Bestätigung der Antibiotikaempfindlichkeit verbesserten sich die Symptome leicht, wobei zwei persistierende nekrotisierende und nässende Herde auf beiden Wangen verblieben. Aufgrund einer vermuteten paradoxen Reaktion (PR) auf die Antibiotikabehandlung wurde Prednison verabreicht und zügig ausgeschlichen. Ihr klinisches Bild verbesserte sich deutlich, und ein anschließender HIV-Test war negativ. Die orale gezielte Antibiotikabehandlung wurde nach 9 Monaten abgesetzt, und es kam zu einer vollständigen Heilung mit minimaler Narbenbildung (Abbildung 3).

 

DISKUSSION
Die Eigenfettinjektion wird in der ästhetischen Medizin immer beliebter. Es wurde jedoch über nichttuberkulöse Mykobakterieninfektionen nach diesem Verfahren berichtet (1). Mycobacterium fortuitum ist ein schnell wachsendes, nichttuberkulöses Mykobakterium, das im Boden und im Wasser vorkommt und insbesondere an Kunststoffen und Biomaterialien haftet und Infektionen nach medizinischen Eingriffen verursacht. Zu den klinischen Manifestationen gehören Haut-, Weichteil- und Lungeninfektionen, wobei disseminierte Infektionen bei immungeschwächten Patienten häufiger vorkommen (2). Bis heute gibt es keinen Konsens über die Standardtherapie des M. fortuitum. Die Antibiotikatherapie basiert auf einer kalkulierten Therapie gemäß Antibiogramm, wobei die Empfehlungen verschiedener medizinischer Fachgesellschaften eine Empfindlichkeit gegenüber Amikacin, Fluorchinolonen, Sulfonamiden und Imipenem nahelegen (3). Empfohlen wird die parenterale Verabreichung von Amikacin und Cefoxitin, gefolgt von der oralen Verabreichung von Trimethoprim/Sulfamethoxazol und einem Fluorchinolon für 2–6 Monate (4). Infizierte Knötchen können, wenn möglich, entfernt werden (5), obwohl die chirurgische Entfernung oft Narben hinterlässt. Das unzureichende Ansprechen unserer Patientin auf eine gezielte Antibiotikatherapie ließ den Verdacht auf eine seltene, starke Immunreaktion gegen Mykobakterien aufkommen, die entweder als inflammatorisches Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) bei HIV-infizierten Patienten nach Beginn einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) oder, seltener, als paradoxe Reaktion bei immunkompetenten Patienten während oder nach einer Antibiotikatherapie auftritt (6). Eine paradoxe Reaktion tritt typischerweise bei Patienten mit tuberkulösen Mykobakterien (TB-IRIS) auf, wurde aber auch bei nichttuberkulösen Mykobakterieninfektionen beschrieben (7). Die Pathogenese der PR/IRIS ist nur teilweise verstanden. Es wird vermutet, dass die rasche Zerstörung der Mykobakterien durch eine Antibiotikatherapie zu einer starken Freisetzung mykobakterieller Antigene führen kann, die eine ungewöhnlich starke Entzündungsreaktion auslösen (8). Alternativ kann auch eine erhöhte immunologische Aktivität des Wirts, insbesondere die Rekonstitution der CD4+ Th1-Zell-Immunantwort, zu dem beobachteten Syndrom beitragen (9). Es gibt keinen Konsens über die Behandlung von TB-PR/IRIS, aber es wurde beschrieben, dass systemische Kortikosteroide die TB-IRIS-assoziierte Morbidität verringern (10).

Granulomatöse Reaktionen, insbesondere die Bildung von Fremdkörpergranulomen nach kosmetischen Eingriffen, sind neben Infektionen die wichtigste Differenzialdiagnose. Infektionen sollten jedoch immer ausgeschlossen werden. Atypische Mykobakteriosen nach medizinischen Eingriffen sollten bei der Untersuchung von Infektionen ausgeschlossen werden. Histologisch lassen sich Mykobakterien nur fokal oder in geringer Zahl nachweisen (11). Daher sollte auch bei Fehlen von säurefesten Stäbchen in der Mikroskopie eine Mykobakterienkultur durchgeführt werden, wenn ein granulomatöses histologisches Muster vorliegt (12). Die Behandlung der atypischen Mykobakteriose kann schwierig sein. Wenn sich die Symptome trotz angemessener antibiotischer Behandlung nicht ausreichend bessern, sollte eine PR in Betracht gezogen werden.

 

INTERESSENKONFLIKT
Keiner.

 

LITERATUR

  1. Go JY, Yang EJ. Mycobacterium fortuitum infection associated with facial fat grafting: simultaneous infection of liposuction and lipos- culpture site. Arch Aesthetic Plast Surg. 2012;18:142-146.
  2. Uslan DZ, Kowalski TJ, Wengenack NL, et al. Skin and soft tissue infec- tions due to rapidly growing mycobacteria: comparison of clinical features, treatment, and susceptibility. Arch Dermatol. 2006;142:1287- 1292.
  3. Lange C, Bottger EC, Cambau E, et al. Consensus management recommendations for less common non-tuberculous mycobacterial pulmonary diseases. Lancet Infect Dis. 2022;22:e178-e190.
  4. Schonfeld N, Haas W, Richter E, et al. [Recommendations for diagno- sis and treatment of nontuberculous mycobacterioses of the German Central Committee against tuberculosis and the German Respiratory Society]. Pneumologie. 2013;67:605-633.
  5. Liu Y, Chen Y. Surgical treatment for cutaneous mycobacterium abscessus infection caused by injections of hyaluronic acid. Clin Cosmet Investig Dermatol. 2023;16:687-692.
  6. Geri G, Passeron A, Heym B, et al. Paradoxical reactions during treatment of tuberculosis with extrapulmonary manifestations in HIV-negative patients. Infection. 2013;41:537-543.
  7. Hui SH, Noonan L, Chavada R. Post liposuction mycobacterium abscessus surgical site infection in a returned medical tourist com- plicated by a paradoxical reaction during treatment. Infect Dis Rep. 2015;7:6304.
  8. Campbell IA, Dyson AJ. Lymph node tuberculosis: a comparison of various methods of treatment. Tubercle. 1977;58:171-179.
  9. Bell LC, Breen R, Miller RF, et al. Paradoxical reactions and immune reconstitution inflammatory syndrome in tuberculosis. Int J Infect Dis. 2015;32:39-45.
  10. Meintjes G, Wilkinson RJ, Morroni C, et al. Randomized placebo- controlled trial of prednisone for paradoxical tuberculosis-associated immune reconstitution inflammatory syndrome. AIDS. 2010;24:2381- 2390.
  11. Mitteldorf C, Tronnier M. Histologic features of granulomatous skin diseases. J Dtsch Dermatol Ges. 2016;14:378-388.
  12. Kromer C, Fabri M, Schlapbach C, et al. Diagnosis of mycobacterial skin infections. J Dtsch Dermatol Ges. 2019;17:889-893.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
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