Diagnose

Klinisch atypische Variante eines Morbus Galli-Galli

Diskussion
Der Morbus Galli-Galli (MGG) ist eine autosomal dominant
vererbte Genodermatose, die zum Formenkreis der
retikulären Pigmentdermatosen zählt. Spontanes, disseminiertes
Auftreten, wie bei unserer Patientin, und auch ein
segmentales Auftreten im Sinne eines Mosaiks sind beschrieben
[ 1, 2 ] .
Mittlerweile wird der MGG als eine akantholytische Variante
des Morbus Dowling Degos (MDD) angesehen, wobei
bis vor einigen Jahren eine eigenständige Krankheitsentität
diskutiert wurde. Beide Entitäten können klinisch nicht eindeutig
differenziert werden und ähneln sich auch histopathologisch.
Jedoch fi ndet man typischerweise beim MGG eine
suprabasale Akantholyse [ 2, 3 ] . Weitere, zu diesem Formenkreis
zählende Erkrankungen sind der Morbus Kitamura, das
Haber-Syndrom und die symmetrische Akropigmentierung
Typ Dohi [ 3 ] .
Der MGG wurde erstmals 1982 beschrieben, damals
benannt nach einem Bruderpaar, welches die klinischen und
histopathologischen Charakteristika eines MDD aufwies, jedoch
mit einer auffälligen suprabasalen Akantholyse [ 4 ] .
Die Erstmanifestation des MGG ist variabel und liegt im
frühen Jugend- bis mittleren Erwachsenenalter [ 3 ] . Klinisch
zeigen sich typischerweise symmetrisch verteilte, retikuläre,
teils lentiginöse Pigmentierungen und erosive oder hyperkeratotische,
erythematös- bis bräunliche Papeln insbesondere
im Bereich der Beugen und Intertrigines [ 5 ] . Häufi g besteht
begleitend ein Pruritus [ 2, 3 ] . Klinisch atypische Varianten
mit disseminiert stehenden Lentigo-artigen Hyperpigmentierungen
und erythematösen Papeln unter Aussparung der
Flexuren sind beschrieben [ 5, 6 ] .
Die Histologie ist charakterisiert durch verlängerte und
basal hyperpigmentierte Reteleisten, meist mit lymphozytärem
Begleitinfi ltrat, welches unterschiedlich stark ausgeprägt
sein kann. Im Gegensatz zum MDD besteht zusätzlich eine
suprabasale Akantholyse.
Die Diagnostik eines MGG kann, insbesondere bei
klinisch atypischen Varianten, wie bei unserer Patientin,
schwierig sein, und erfordert häufi g multiple Probebiopsien
zur Darstellung des typischen feingeweblichen Befundes.
Differenzialdiagnostisch sollte abgesehen vom MDD
und den anderen oben genannten retikulären Pigmentdermatosen
an eine Urtikaria pigmentosa (hier histologisch auszuschließen
aufgrund fehlender Mastzellen), einen Morbus Darier,
einen Morbus Hailey-Hailey und einen Morbus Grover
gedacht werden.
Die pathologisch zugrundeliegenden Mechanismen
des MGG sind nicht vollständig geklärt. Für den MDD ist
eine zum Funktionsverlust führende Mutation c.418dupA
im Keratin-5-Gen identifi ziert worden [ 7 ] . In einigen Arbeiten
konnte diese Mutation auch bei Patienten mit MGG
gefunden werden, woraus sich die Annahme ableitet, dass
der MGG eine akantholytische Variante des MDD darstellt
[ 2, 8, 9 ] . Zusätzlich sind beim MGG weitere Mutationen
im Keratin 5-Gen, beispielsweise das Start-Codon betreffend
[ 8 ] , oder die von Reisenauer et al. 2014 publizierte
Frameshift-Mutation c.38dupG, die zu einem vorzeitigen
Stop-Codon führt [ 10 ] beschrieben worden. Weiterhin sind
in den letzten Jahren Mutationen in POFUT1 (kodiert für
das Protein O-Fucosyltransferase 1) und POGLUT1 (kodiert
für das Protein O-Glucosyltransferase 1) identifi ziert worden
[ 11 ] . Jedoch lassen sich nicht bei allen Patienten mit klinisch
und histologisch gesichertem MGG oder MDD Mutationen
in einem dieser Gene nachweisen. Ein Vergleich der in der
Literatur beschrieben Fälle deutet darauf hin, dass sich die
klinische Darstellung der Erkrankung von Patienten mit
verschiedenen Mutationen unterscheidet, es also eine Genotyp-
Phänotyp-Korrelation geben könnte. Patienten mit einer
Mutation im Keratin-5-Gen präsentieren sich vermehrt mit
der klassischen retikulären, lentiginösen Pigmentierung und
erythematösen Papeln im Bereich der Flexuren und Intertrigines,
wohingegen Patienten ohne nachgewiesene Mutation
in diesem Gen beziehungsweise mit Mutation in POGLUT1
klinisch eher disseminierte, bräunliche Lentigo-artige Maculae,
wie bei unserer Patientin, aufweisen [ 2, 5, 11 ] .
Unklar bleibt bis dato, warum es bei Vorliegen ein und
derselben Mutation nur bei einigen Patienten zu Akantholyse
kommt. Hier ist zu diskutieren, ob es sich um ein Lokalisationsphänomen
handeln könnte, oder ob in unterschiedlichen
Stadien der Erkrankung mehr oder weniger Akantholyse entsteht.
Zusätzlich bleibt die Frage offen, welcher pathophysiologische
Mechanismus der Akantholyse zugrunde liegt und
was ursächlich für diejenigen MGG-Fälle ist, bei denen keine
Mutation nachgewiesen werden konnte.
Die Therapie des MGG gestaltet sich schwierig, eine kausale
Therapie ist nicht bekannt und es existieren aufgrund
der Seltenheit der Erkrankung wenige Erfahrungsberichte.
Beschrieben sind Therapieversuche mit topischen Steroiden
und Retinoiden sowie UV-Therapien. Voth et al. konnten
durch die Therapie mit einem ablativen Laser eine komplette
Remission bei einem Patienten mit axillär betontem MGG
erzielen [ 12 ] .


Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Arnold AW , Kiritsi D , Happle R et al. Type 1 segmental Galli-
Galli disease resulting from a previously unreported keratin 5
mutation . J Invest Dermatol 2012 ; 132 : 2100 – 3 .
2 Hanneken S , Rütten A , Pasternack S et al. Systematic mutation
screening of KRT5 supports the hypothesis that Galli-Galli
disease is a variant of Dowling-Degos disease . Br J Dermatol
2010 ; 163 : 197 – 200 .
3 Müller CS , Pföhler C , Tilgen W . Changing a concept-controversy
on the confusing spectrum of the reticulate pigmented
disorders of the skin . J Cutan Pathol 2009 ; 36 : 44 – 8 .
4 Bardach H , Gebhart W , Luger T . Genodermatosis in a pair of
brothers: Dowling-Degos, Grover, Darier, Hailey-Hailey or
Galli-Galli disease? Hautarzt 1982 ; 33 : 378 – 83 .
5 Hanneken S , Rütten A , Eigelshoven S et al. Morbus Galli-Galli .
Hautarzt 2011 ; 62 : 842 – 51 .
6 Shabrawi-Caelen LE , Hofer A , Kerl H . Macro-micro dermatology:
Erythematous papules and lentigo-like macules – a new
entity? J Dtsch Dermatol Ges 2007 ; 5 : 645 – 6 .
7 Betz RC , Planko L , Eigelshoven S et al. Loss-of-function mutations
in the keratin 5 gene lead to Dowling-Degos disease . Am
J Hum Genet 2006 ; 78 : 510 – 9 .
8 Sprecher E , Indelman M , Khamaysi Z et al. Galli-Galli disease is
an acantholytic variant of Dowling-Degos disease . Br J Dermatol
2007 ; 156 : 572 – 4 .
9 Schmieder A , Pasternack SM , Krahl D et al. Galli-Galli disease
is an acantholytic variant of Dowling-Degos disease: additional
genetic evidence in a German family . J Am Acad Dermatol
2012 ; 66 : e250 - e251 .
10 Reisenauer A , Wordingham S , York J et al. Heterozygous
frameshift mutation in keratin 5 in a family with Galli-Galli disease
. Br J Dermatol 2014 ; 170 : 1362 – 5 .
11 Wilson N , Cole C , Kroboth K et al. Mutations in POGLUT1 in
Galli-Galli/Dowling-Degos disease . 2016 Aug 1. [Epub ahead
of print].
12 Voth H , Landsberg J , Reinhard G et al. Efficacy of ablative laser
treatment in Galli-Galli disease . Arch Dermatol 2011 ; 147 :
317 – 20 .

 

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