Diagnose

Diagnose:

pseudolymphomatöses (Lymphocytomacutis-ähnliches) Erythema migrans

Diskussion

Eine PCR-Untersuchung auf Borrelia-burgdorferi-DNA war positiv und bestätigte die Diagnose einer pseudolymphomatösen Borrelieninfektion, die auch klinisch mit einem Erythema migrans vereinbar war. Es wurden keine Borrelien-spezifischen serologischen Untersuchungen durchgeführt. Obwohl das histopathologische Bild bei unserer Patientin mit einem Borrelienlymphozytom vereinbar war, machte das ausgeprägte bis zur oberflächlichen Subkutis reichende lymphoidzellige Infiltrat sowie das klinische Bild (zwei aneinandergrenzende Plaques mit unilateraler Verteilung im Lendenbereich) diese Diagnose nicht besonders plausibel. Die Lyme-Borreliose (Syn.: Lyme-Krankheit) ist eine durch Borrelia (B.) burgdorferi übertragene multisystemische Infektionskrankheit und wird durch Zeckenstiche übertragen [1–3]. Die Infektion ist in mehreren Regionen der USA sowie in Nord- und Mittelosteuropa endemisch [2]. Zu den wesentlichen kutanen Manifestationen zählen Lyme-Borreliose, Erythema migrans, Borrelienlymphozytom sowie Acrodermatitis chronica atrophicans [1, 2]. Das Erythema migrans ist das typische Symptom einer lokalisierten Frühinfektion, während die Acrodermatitis chronica atrophicans das Leitsymptom der chronischen Spätinfektion ist [4, 5]. Ein Borrelienlymphozytom kann zu jedem Zeitpunkt des Krankheitsverlaufs auftreten [2]. Die klassische Bild eines Erythema migrans ist eine erythematöse, kreis- oder ringförmige Plaque, die mitunter einen blasseren Zentralbereich aufweist. Das Erythem entwickelt sich in ein bis vier Wochen nach einem Stich einer Ixodes- Zecke und breitet sich allmählich zentrifugal aus [6–8]. Eine typische Prädilektionsstelle ist der Rumpf. Wie lange ein unbehandeltes Erythema migrans besteht, ist abhängig vom Borrelienstamm, wobei in Europa auftretende Fälle (durch B. afzelii oder B. garinii verursacht) in der Regel zehn Wochen anhalten [2, 6]. Bei einigen wenigen Patienten können multiple Erythemata migrantia auftreten, die durch mehrere Zeckenstiche aber auch durch eine disseminierte Erkrankung bedingt sein können [6]. Histologisch ist das Erythema
migrans in der Regel durch ein oberflächliches und tiefes, perivaskuläres sowie interstitielles lymphohistiozytäres Infiltrat gekennzeichnet, mit unterschiedlichen Mengen an eosinophilen und neutrophilen Granulozyten sowie Plasmazellen [6].
Darüber hinaus können epidermale Veränderungen (fokale Interface-Veränderungen und/oder Spongiose), Beteiligung der Subkutis mit septolobulärer Pannikulitis und Granuloma- anulare-ähnliche Veränderungen vorkommen [6, 9]. Das entzündliche Infiltrat kann gering ausgeprägt aber auch sehr dicht sein [6, 10]. Pseudolymphomatöse Merkmale sind sehr selten [6]. Der Nachweis von Borrelia-burgdorferi-DNA aus dem Gewebe mittels molekularer Tests stellt sowohl für das Erythema migrans als auch für das Borrelien-Lymphozytom den diagnostischen Goldstandard dar. Im Gegensatz dazu weist die Borrelienserologie eine nur unzureichende Sensitivität auf, dies gilt vor allem für die Frühphase der Infektion [2, 6]. Ein Borrelienlymphozytom kann in jedem Stadium der Lyme-Borreliose auftreten. Es kommt fast ausschließlich in europäischen Populationen vor und ist streng mit dem verursachenden Bakterienstamm (zum Beispiel B. afzelii oder B. garinii) assoziiert [2, 11]. Das klinische Bild variiert von solitären Knötchen bis hin zu gruppiert stehenden oder disseminierten Papeln. Prädilektionsstellen sind Mamillen, Ohrläppchen und Genitalbereich [11]. Zusätzlich zu klassischen histologischen Merkmalen des Lymphocytoma cutis sensu lato (zum Beispiel ein „top-heavy“ gemischtzelliges lymphozytäres Infiltrat mit sekundären Lymphfollikeln) [12] können weitere eher atypische Veränderungen vorkommen, die für eine Borrelia-assoziierte Ätiologie doch recht spezifisch sein können: verminderte bis fehlende Mantelzone mit einer Neigung zu Konfluenz von benachbarten lymphoiden Follikeln sowie ein Monomorphismus lymphoider Follikel ohne polarisierte Bildung von Dunkel- und Hellzonen [11]. Derartige atypische Befunde können den Verdacht auf ein follikuläres B-Zell-Lymphom oder in seltenen Fällen auch auf ein diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom aufkommen lassen [13]. Nichtsdestotrotz gibt es eine Reihe histologischer Hinweise, die zur Unterscheidung zwischen Borrelienlymphozytom und follikulärem Lymphom beitragen können: das Vorliegen von Sternhimmelzellen, eine Prädominanz von Zentroblasten und Immunoblasten innerhalb der Keimzentren, eine gesteigerte Proliferationsrate innerhalb dieser Keimzentren (Ki- 67-Färbung) und das Fehlen extrafollikulärer Cluster von CD10+/BCL6+ B-Zellen (die den Bereich zwischen benachbarten Lymphfollikeln besiedeln) [11, 14]. Unser Fall zeigte Analogien zu histologischen Beschreibungen der Acrodermatitis chronica atrophicans, wobei
außergewöhnliche Fälle ein prominentes lymphoidzelliges Infiltrat und damit auch ein pseudolymphomatöses Erscheinungsbild aufweisen können [15]. Bei der Acrodermatitis chronica atrophicans sind sowohl überwiegend aus T-Zellen, als auch überwiegend aus B-Zellen bestehende Muster beschrieben worden [15]. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall ist das B-Zell-Pseudolymphom bei der Acrodermatitis chronica atrophicans durch eine dichte Plasmazellpopulation ohne Keimzentren gekennzeichnet. Die Beurteilung der Leichtkettenrestriktion ist hilfreich bei der Differenzialdiagnose zum primär kutanen Marginalzonenlymphom. In diesem Zusammenhang sollte man jedoch bedenken, dass sowohl echte kutane Lymphome als auch kutane Infiltrate einer chronischen lymphatischen B-Zell-Leukämie mit einer Borrelien-Infektion assoziiert sein können [16, 17]. Interessanterweise wurde in seltenen Fällen eines Erythema migrans auch über ausgeprägte, pseudolymphomatöse lymphoidzellige Infiltrate mit T-Zell-Prädominanz berichtet [10]. Nie zuvor wurde jedoch beim Erythema migrans ein von B-Zellen dominiertes, Lymphocytoma-cutis-ähnliches pseudolymphomatöses Muster beschrieben. Der vorliegende Fall weist zahlreiche Merkmale, die ansonsten bei unterschiedlichen klinischen und histologischen Formen der kutanen Borrelieninfektionen vorkommen können, auf. Auf jeden Fall sollte immer auch an die Lyme-Borreliose gedacht werden, wenn der Patient aus einem Endemiegebiet stammt. Darüber hinaus werden durch diesen Fall auch die variierenden Erscheinungsbilder pseudolymphomatöser Reaktionen nach Borrelieninfektion gezeigt. Dies erfordert eine exakte klinisch-pathologische Korrelation zur genauen Diagnose derartiger Läsionen.

Therapie

Systemische, durch Borrelien bedingte Symptome konnten durch die klinische Untersuchung ausgeschlossen werden. Die Patientin wurde entsprechend der gängigen Leitlinien über 14 Tage mit Doxycyclin behandelt [1, 2]. Das Ansprechen auf die Antibiose konnte klinisch nicht beurteilt werden, da die Patientin angesichts einer von ihr berichteten Verbesserung ihres Hautzustandes nicht an der vorgesehenen medizinischen Nachuntersuchung teilnahm.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Hofmann H, Fingerle V, Hunfeld KP et al. Consensus group. Cutaneous Lyme borreliosis: Guideline of the German Dermatology Society. Ger Med Sci 2017; 15: Doc14.
2 Steere AC, Strle F, Wormser GP et al. Lyme borreliosis. Nat Rev Dis Primers 2016; 2: 16090.
3 Schempp CM, Schauer F, Huhn CK et al. Skin inflammation associated with arthritis, synovitis and enthesitis. Part 2: rheumatoid arthritis, reactive arthritis, Reiter’s syndrome, Lyme borreliosis, dermatomyositis and lupus erythematosus. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17: 167–81.
4 Surtov-Pudar M, Aberer E. Livid erythematous patches on the trunk in Lyme borreliosis. J Dtsch Dermatol Ges 2013; 11: 354–5.
5 Winkler JK, Hartschuh W, Enk A et al. Bilateral juxta-articular erythematous plaques in a 60-year-old woman. J Dtsch Dermatol Ges 2017; 15: 221–4.
6 Wilson TC, Legler A, Madison KC et al. Erythema migrans: a spectrum of histopathologic changes. Am J Dermatopathol 2012; 34: 834–7.
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8 Samhaber KT, Mempel M, Haenssle HA et al. Multiple annular erythematous lesions in a 9-year-old boy. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12: 731–3.
9 Kempf W, Kazakov DV, Kutzner H. Lobular panniculitis due to Borrelia burgdorferi infection mimicking subcutaneous panniculitis-like T-cell lymphoma. Am J Dermatopathol 2013; 35: e30–3.
10 Kempf W, Kazakov DV, Hübscher E et al. Cutaneous borreliosis associated with T cell predominant infiltrates: a diagnostic challenge. J Am Acad Dermatol 2015; 72: 683–9.
11 Colli C, Leinweber B, Müllegger R et al. Borrelia burgdorferiassociated lymphocytoma cutis: clinicopathologic, immunophenotypic, and molecular study of 106 cases. J Cutan Pathol 2004; 31: 232–40.
12 Cerroni L, Borroni RG, Massone C et al. Cutaneous B-cell pseudolymphoma at the site of vaccination. Am J Dermatopathol 2007; 29: 538–42.
13 Grange F, Wechsler J, Guillaume JC et al. Borrelia burgdorferi associated lymphocytoma cutis simulating a primary cutaneous large B-cell lymphoma. J Am Acad Dermatol 2002; 47: 530–4.
14 Leinweber B, Colli C, Chott A et al. Differential diagnosis of cutaneous infiltrates of B lymphocytes with follicular growth pattern. Am J Dermatopathol 2004; 26: 4–13.
15 Tee SI, Martínez-Escanamé M, Zuriel D et al. Acrodermatitis chronica atrophicans with pseudolymphomatous infiltrates. Am J Dermatopathol 2013; 35: 338–42.
16 Cerroni L, Zöchling N, Pütz B, Kerl H. Infection by Borrelia burgdorferi and cutaneous B-cell lymphoma. J Cutan Pathol 1997; 24: 457–61.
17 Cerroni L, Höfler G, Bäck B et al. Specific cutaneous infiltrates of B-cell chronic lymphocytic leukemia (B-CLL) at sites typical for Borrelia burgdorferi infection. J Cutan Pathol 2002; 29: 142–7.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft