Dag-Ole Ziebell auf der DDG - „Landschaftsarchitektur“

Ein schillerndes Symposium aus Forschungsneuheiten, inspirierenden Persönlichkeiten, zahlreichen Kosmetikproben und Networking - kurz gesagt: die DDG.
Auch in diesem Mai sind zahlreiche Dermatologen und solche, die es noch werden wollen (ich eingeschlossen), nach Berlin gepilgert, um diesem Mega-Event beizuwohnen. Ich war das erste Mal dort und habe viele neue Ideen und Anreize gewonnen. Jeder Tag war angefüllt mit fantastischen Vorträgen, spannenden Begegnungen und großem Wissenszuwachs. Zwischen spannenden Neuheiten in der Onkologie, prall gefüllten Vichy-Goodie-Bags und auffallend vielen gutaussehenden Menschen fand ich mich schließlich in einem Vortrag über Landschaftsarchitektur wieder. Landschafts–was?

Landschaftsarchitektur, die Wissenschaft, Außenräume lebenswert zu gestalten. Es geht um Pflanzen, Wasser, Wege, Sitzmöglichkeiten.

Ist das im Kontext einer dermatologischen Tagung nicht etwas themenfremd? Nun, das habe ich mir vor der Präsentation auch gedacht. Der Vortragende Dag-Ole Ziebell meint jedoch: ganz im Gegenteil!  Er räumt zwar zu Beginn ein, dass er üblicherweise seine Ideen nicht vor Dermatologen, sondern vor anderen Landschaftsarchitekten vorträgt. Warum wir jedoch als Dermatologen eine besonders wichtige Zielgruppe seiner Ideen und Anregungen sind, macht er ganz klar: In Zeiten des Klimawandels werden die Sommer länger, milder und so verbringen wir immer mehr Zeit draußen. In der Natur ist es schön, ruhig und erholsam.

Was dort aber auch lauert - und damit meine ich nicht die Zecken - ist die Sonne. Die Dermatologen (wie man auf dem Titelbild auf den Stufen vor dem Eingang zur DDG Tagung 2025 in Berlin sieht) meiden sie ja bekanntlich wie Vampire. Aber der Otto-Normal-Verbraucher denkt nicht täglich an die Sonnencreme.

Man kann der Generation mutiger Dermatologen vor uns wirklich gratulieren – denn dank ihrer geduldigen Aufklärung brutzelt heute kaum noch jemand mit Bräunungsöl eingeschmiert in der prallen Mittagssonne. Aber trotz der Bemühungen einer Horde Skinfluencer, die auf Social Media täglichen Sonnenschutz predigen wie Pfarrer die Nächstenliebe, benutzen viele Deutsche die Sonnencreme nur im Freibad oder auf Mallorca.
Dass die Sonne aber nicht nur im Süden, sondern auch in Deutschland auf dem Weg zum ALDI Süd Hautschäden verursacht - darüber denkt fast keiner nach. Und auch ich realisierte im Verlauf des Vortrages rasch, wie wichtig die Gestaltung von Außenräumen in Bezug auf Hautkrebsprävention ist.

Mir fiel es neulich wieder auf, als ich durch Frankfurt lief. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, 22 Grad, eigentlich ein Traum. Aber nach 15 Minuten draußen schwitzte ich schon und wollte am liebsten nur drinnen sitzen. Aber warum? Weil weit und breit kein Baum zu sehen war, kein Schatten, nur heißer dunkler Asphalt, der die Wärme speicherte und wieder an die Luft abgab. Ich verstand, warum es in Griechenland und anderen warmen Ländern so viel weiße Häuser gibt. Dass das aber nicht das Universalrezept ist, um Städte vor Hitze und Menschen vor Hautkrebs zu schützen - das erläutere ich noch später.

In Zeiten von steigenden Temperaturen und Extremwetter, muss sich auch Deutschland darüber Gedanken machen, wie man - gerade in Ballungszentren - die Gebäude und Umgebung kühlen kann. In vielen Städten gibt es kaum noch Grünflächen, wenig Bäume, viel Asphalt und Beton, der die Hitze eher speichert, als dass er sie lindert. Sommer in der Stadt? Oft nicht auszuhalten. Gerade für ältere oder kranke Menschen sind die Hitze und die oft dadurch resultierende Dehydration gefährlich, es kommt jeden Sommer aufs Neue zu vielen Notarzteinsätzen.

Und die Hautkrebs-Raten steigen, gerade weil die Sommer wärmer und länger werden, die Menschen mehr Zeit draußen verbringen und sich unsere Haut so pro Jahr mit einer höheren Sonnenstrahlung auseinandersetzen muss.  Im Angesicht dessen müssen sich Deutschland, seine Landschaftsarchitekten und Stadtplaner die Frage stellen: Wie können wir unsere Bevölkerung vor der Sonne und der Hitze schützen?

Sonnencreme ist gut, was aber noch besser ist: Schatten und Schutz vor der Sonne.

Aber Moment. Was macht denn jetzt so ein Landschaftsarchitekt genau? Welche Bereiche gestaltet er? Herr Ziebell formulierte es in einem Satz ganz einfach: alles, was draußen zwischen den Gebäuden ist. Der Weg von zuhause zum ALDI. Die Grünfläche, auf der man gerne mal picknickt. Und: Schulhöfe, Unis - alles Mögliche, wo man sich gerade im Sommer gut und gerne mal ein paar Stunden lang aufhält.

Und - richtig gestaltet - haben diese Räume ganz schön was drauf: sie kühlen, produzieren Sauerstoff, nehmen CO2 auf und reinigen die Luft. Das Hauptziel von Landschaftsarchitektur ist, die urbane Lebensqualität zu erhöhen.  Diese ist bedroht von immer voller werdenden Städten - mehr Leute, die Grünflächen zum Erholen suchen und weniger Platz, an denen diese realisiert werden können. Viele Menschen an einem Ort bedeuten mehr Wohngebäude und somit weniger Natur, die ihre kühlende und reinigende Wirkung ausüben kann. Weniger Schatten, intensivere und längere Sonneneinstrahlung führt langfristig mehr Hautkrebs. Wie ein Dermatologe mal treffend zu mir sagte: Hautkrebs gar nicht erst entstehen zu lassen ist der wichtigste Schritt in dessen Therapie.

Wie kann man das jetzt schaffen? Und wie können wir als Dermatologen unseren Beitrag leisten?

Den wichtigsten Schutz vor der Sonne bietet Wissen. Darüber, wann die Sonne wo am stärksten ist, was der UV-Index aussagt und wie man sich am besten kleidet, um Sonnenschäden zu vermeiden. Da spielen Dermatologen in der Aufklärung eine große Rolle. Aber man muss auch bedenken, und das räumt auch der Vortragende ein, dass sich die meisten nicht morgens nach dem Aufstehen als Erstes denken „Wie bekomme ich keine Sonnenschäden, die potenziell in 30 Jahren zu Hautkrebs führen könnten?“.

Ole-Dag Ziebell findet, dass die Regierung das teilweise für uns übernehmen könnte und sollte – im Sinne der sogenannten Verhältnisprävention, also Maßnahmen, welche die Lebensumwelt so gestalten, dass gesundes Verhalten - in diesem Fall der Sonnenschutz - leichter fällt. Er plädiert dafür, ein urbanes Draußen zu gestalten, in dem wir als Bevölkerung grundsätzlich auch so geschützt sind, ohne unser eigenes Zutun. Ohne täglich extensive Überlegungen zu Hautkrebs und Sonnenpflege anstellen zu müssen, was, abseits von Dermatologen und Skinfluencern, wohl keiner tut.

Ein kurzer Hintergrund zu Dag-Oles Arbeitstechnik: Er bestimmt für seine Projekte und Orte, an denen er arbeitet, den Albedo-Effekt. Dieser beschreibt, wie stark ein Objekt - Boden, Gebäudewände, etc. - das Sonnenlicht reflektiert. Je heller die Fläche, desto mehr Licht wird reflektiert und desto weniger Wärme entsteht. Helle Häuser, viel Reflexion, weniger Wärmeentwicklung. Das nutzen viele Städte in warmen Gebieten, zum Beispiel die Touristenhochburg Santorini in Griechenland - nicht nur für schöne Postkarten, sondern, um die Häuser und Städte bei 40 Grad plus kühl zu halten.

Auch in deutschen Städten wird immer mehr von diesem Wissen Gebrauch gemacht, um die Wärme aus den Häuserschluchten zu vertreiben. Aber: wenn etwas reflektiert wird, wird es nicht dadurch eliminiert. Die Sonnenstrahlen müssen irgendwo hin. Und so werden sie vom weißen Boden oder der weißen Gebäudewand auf unsere Körper umgelenkt. Alle Gebäude und Plätze nun in hellen Farben zu gestalten, ist also nicht die Lösung des Problems. Es ist sinnvoll, eine Kombination aus dunklen und hellen Materialien zu nutzen. Die hellen Materialien werden eingesetzt, um die Entstehung von Hitze zu vermindern, die dunklen, um die gestreute Strahlung, die auf unsere Haut einwirkt, zu reduzieren. Landschaftsarchitekten nutzen dazu Fassadenbegrünung, EPDM statt Beton, Sitzgelegenheiten mit Pergolen und schaffen so Orte, in denen man auch Outdoor vor der Sonne geschützt ist.

Herr Ziebell nennt diese Orte Freiräume. Orte, in denen Menschen draußen zusammenkommen können. Wichtig für die physische und psychische Gesundheit, für die Luft, für das Klima.

Freiräume finde ich einen wunderschönen und passenden Begriff für die Orte, die er kreieren will. Orte, an denen man sich erholt, Zeit verbringt mit Familie und Freunden, sich an der guten Luft und dem Grün erfreuen kann. Wo Ruhe einkehrt, es vielleicht Momente gibt, wo man nur Vogelzwitschern und das Rauschen der Bäume hört - als krassen Kontrast zu der Hektik, dem Hupen und dem Gedränge des urbanen Dschungels. Ziebell findet, dass wir mehr dieser Räume brauchen, dass sie besser und schneller erreichbar sein sollten. Und auch: dass die Regierung den Menschen helfen soll, sich vor der Sonne und den möglichen Hautschäden zu schützen.

Deutschland muss im Sinne einer Verhältnisprävention eingreifen und es den Bürgern ermöglichen, sich jeden Tag vor der Sonne zu schützen, indem es durch gelungene Landschaftsarchitektur Schatten schafft, Schutz vor der Sonne -  auch unter freiem Himmel.

Der Vortrag hat mir gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Medizin, Stadtplanung und Politik geworden ist – besonders durch die Folgen des Klimawandels. Hautkrebsprävention ist am effektivsten, wenn sie in den Alltag integriert ist. Es muss den Menschen leicht gemacht werden, ihre Haut zu schützen und so das Auftreten von sonnenbedingten Schäden zu reduzieren. Deshalb braucht es gut durchdachte Wege, Parks und Flächen, die Schatten, Kühlung und Erholung bieten.

Wir müssen unsere Städte so gestalten, dass sie die Stadtbewohner schützen und dass der urbane Dschungel auch im Hochsommer lebenswert bleibt.

Und bis dahin: bitte täglich eincremen. Amen ;-) 

Eure (natürlich Sonnenschutz nutzende) Constanze