Schnitt, Naht, Lappen – und Lippen!
30. Mai 2025

„Wofür ist eigentlich die Lippe da?“. Diese scheinbar harmlose Frage eröffnete den zweiten Tag des dermatochirurgischen OP Kurses der DGDC in Kooperation mit der Artemed Klinik. Die Dozenten führten aus: unsere Lippe kommuniziert in ihrer anatomischen Form Lachen, wie Ernst, mit ihr können wir sprechen, essen und küssen, ja manchmal sogar pfeifen. Sie ist Ausdrucksorgan und in ihrer Symmetrie oft einzigartig. Und spätestens da wurde klar: Die Lippe ist nicht nur ein Stück Haut, sie ist ein anatomisches Meisterwerk. Ihre chirurgische Rekonstruktion stellt daher für manchen angehendenn Dermatochirurgen eine echte Herausforderung dar. Genau darum ist es so wertvoll, chirurgische Techniken von echten Profis zu lernen. Nach Modul 1 (siehe Blogartikel hier) ging es nun „ans Eingemachte“. Im zweiten Modul des Zertifizierungskurses "Experte für Dermato-Chirurgie" im Mai war es den Dozenten vor allem wichtig, alles um die praktische Umsetzung komplexer Techniken zu vermitteln. Während in Modul 1 die Basics wie Nahttechniken, Lokalanästhesie und einfache Lappenplastiken im Fokus standen, war Modul 2 die logische – und chirurgisch anspruchsvollere – Fortsetzung. Ein Basaliom in der Glabella oder ein großer Defekt auf der Skapula sollen nach Belegung des Kurses einen nicht mehr ins Schwitzen bringen!
Tagungsort war erneut das Schloss Fürstenried in München. Eine ausgewählte ruhige Umgebung für eine konzentrierte Atmosphäre und perfekte Rahmenbedingungen für zwei intensive Tage.
Wie bereits erwähnt stand im Zentrum das, worum es in der chirurgischen Weiterbildung eigentlich geht: praktische Übungen an Schweinehautmodellen unter möglichst realitätsnahen Bedingungen mit Nadel und Skalpell. Dieses Mmal wurden komplexere Lappenplastiken gelehrt, unter anderem:
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Transpositionslappen
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V-Y- und Limberg-Lappen
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Rotation und Keystone Flap.
Besonderes Augenmerk galt der chirurgischen Versorgung an schwierigen Lokalisationen wie Lippe, Lid, Nase und Ohr. Diese Organe sind alles anatomische Zonen, die hohe Anforderungen an Form und Symmetrie, Funktion (z.B. Lippenschluss) und Ausdruck (Mimik, Sprache, Ästhetik) stellen. In Bezug auf die Rekonstruktion an der Unterlippe ist zum Beispiel ist keine Technik nach „Schema F“ geplant. Und genau darauf lag der Fokus des OP-Kurses. Die Teilnehmer erarbeiten sich ein Anatomieverständnis, chirurgisches Feingefühl und präzise Planung. Oder wie es eine Teilnehmerin zusammenfasste: „Die Lippe operiert man nicht einfach – man komponiert sie.“
Neu im Programm war auch der interaktive OP-Kurs am Mousepad: In einer Planungs-Session wurden reale Fälle gemeinsam mit erfahrenen Chirurginnen analysiert, skizziert und so OP-Pläne erarbeitet. Mein Fazit lautet: perfekt, denn so lernt man das Denken hinter dem Schnitt und nicht nur den Schnitt selbst.
Der OP Kurs beinhaltete nicht nur „alt“ bewährtes dermatochirurgisches Wissen, sondern auch echte Innovationen. Im Vortrag von Dr. Sandra Moritz wurde Fischhaut in der Wundbehandlung vorgestellt. Was zunächst klingt wie ein Küchenexperiment aus Skandinavien, hat in der Chirurgie echtes Innovationspotenzial. Fischhauttransplantate (z.B. von Kerecis) bieten nach Hautkrebs-OPs eine vielversprechende Alternative zur klassischen Hauttransplantation. Durch den Erhalt der natürlichen Dermisarchitektur, ihrer hohen Bioverträglichkeit und schnellerer Heilung müssen sie sich in Studien zwar noch beweisen, sind aber in der Praxis teils schon etabliert. Dermatochirurgie heißt also auch: Handwerkskunst trifft High-Tech-Biomaterialien.
Für den dermatologischen Nachwuchs bot der Kurs für mich vor allem zwei entscheidende Vorteile:
- Selbermachen: Kein oberflächliches "So macht man’s", sondern tiefes Verständnis für Planung, Risiken, Alternativen und Ergebnisse in den Vorträgen oder beim Üben am Schweinekopf-Modell.
- Echte Mentoring-Momente: mit Chirurgen auf Augenhöhe sprechen, Nachfragen stellen und dadurch lernen. Viele der Dozentinnen, darunter unter anderem Dr. Karin-Almut Dietrich, Dr. Janna Sehrschön oder Sandra Schreiner, gaben nicht nur Wissen weiter sondern auch ihre Erfahrung.
Fortbildung ist immer auch durch Austausch gekennzeichnet. Und so traf ich altbekannte Gesichter wieder, Kollegen aus dem Rheinland. „Was war euer schönster chirurgischer Moment bisher?“ erkundigte ich mich. Und die Antworten reichten von der ersten selbst geplanten Lid-OP bis zur gelösten Wunde bei einer chronisch kranken Patientin. Der gemeinsame Nenner? Das Gefühl, mit den eigenen Händen chirurgisch helfen zu können – mit einem ästhetisch zufriedenstellendenm Ergebnis für den Patienten.
Wer als junger Dermatologe Lust auf Operieren, auf saubere Techniken, fundierte Entscheidungen und Innovation hat, ist in diesem Kurs genau richtig. Modul 2 hat einmal mehr gezeigt, wie viel Lernpotenzial in praxisnahen Kursen steckt – und wie wichtig es ist, sich schon früh mit komplexen OP-Szenarien auseinanderzusetzen. Denn in der Niederlassung sind wir seit Tag eins in der ambulanten chirurgischen Versorgung eingespannt.
Nächstes Ziel? Modul 3 im November 2025 mit Fokus auf Ästhetik, Phlebologie und Lasermedizin. Wer bis dahin dranbleibt, bekommt nicht nur das Zertifikat „Experte für Dermatochirurgie“, sondern vor allem Sicherheit, Souveränität und Freude an der eigenen fachlichen Weiterentwicklung.
Euer Benjamin!