Diagnose

Diagnose:

Biersche Flecken im Gesicht

Therapie und klinischer Verlauf
Da die Rötungen den Patienten belasteten, wurde die Einnahme von Propranolol in einer Dosis von 40 mg pro Tag empfohlen.

Diskussion
Biersche Flecken wurden erstmals 1898 von dem deutschen Chirurgen Augustus Bier beschrieben [1–3]. Die Nomenklatur umfasst auch angiospastische Flecken, physiologische anämische Flecken und ausgeprägte physiologische Sprenkelung der Haut [1, 2, 4]. Die genaue Prävalenz ist unbekannt [5]. Bislang wurden weniger als hundert Fälle veröffentlicht [3, 6]. Wir gehen allerdings davon aus, dass sie häufiger vorkommen als bislang berichtet. Die Erkrankung betrifft in der Regel junge Erwachsene und beginnt meist im Alter von 20 bis 40 Jahren [1–3]. Es gibt keine Geschlechtspräferenz [1, 3].

Klinisch sind Biersche Flecken durch multiple, winzige, unregelmäßige, blasse bis elfenbeinweiße, 1–10 mm große Maculae auf diffus erythematösem oder zyanotischem Grund gekennzeichnet [1]. Die Läsionen sind symmetrisch über die Streckseiten der distalen Gliedmaßen (Arme und Beine in abnehmender Reihenfolge) verteilt, wobei sie in hängender Position stärker ausgeprägt sind und beim Anheben der Gliedmaßen verschwinden [1-5, 7, 8]. Unseres Wissens nach wurde bisher nur ein Fall von Bierschen Flecken im Gesicht veröffentlicht [9]. Läsionen am Rumpf oder generalisierte Muster wurden bereits beschrieben [7–9]. Das Auftreten der Bierschen Flecken hängt von Temperatur, Position, Druck, Okklusion und Kompression ab [4, 7]. Emotionaler Stress und körperliche Aktivität wurden entweder als provozierende oder lindernde Faktoren beschrieben [5-7, 9]. Reiben und Abblassen der umgebenden Haut, Erwärmung des betroffenen Bereichs oder Druckentlastung können zu spontanem Verschwinden der Bierschen Flecken führen [6, 7]. Die Läsionen werden bei der Diaskopie nicht mehr wahrgenommen [4, 5]. Die Dermatoskopie zeigt eine deutliche Verengung der Hautkapillaren in den Bierschen Flecken [10]. Die histopathologische Untersuchung ergibt normale Befunde [1, 5, 8].

Die Ätiopathogenese ist unklar. Es wurden familiäre Fälle dokumentiert [8]. Genetische Veranlagung (Prädisposition für aberrante vasomotorische Reaktion kleiner Hautgefäße oder für rheologische Anomalien) und hormonelle Einflüsse (Hyperöstrogenismus) werden als mitwirkende Faktoren vermutet [3, 8]. Physiologisch entwickeln sich Biersche Flecken als Folge eines fokalen übermäßigen Vasospasmus kleiner Blutgefäße (Venokonstriktion), während das Hintergrunderythem und die Zyanose eine venöse Dilatation widerspiegeln [2, 3, 5]. Obwohl der genaue Mechanismus noch umstritten ist, werden Biersche Flecken entweder durch venöse Stase mit Gewebehypoxie und peripherer venöser Hypertonie (übermäßige Vasokonstriktion) oder umgekehrt durch ein Versagen des venoarteriolären Reflexes (fehlende Vasokonstriktion) in den aufsteigenden Arteriolen der Haut als Reaktion auf die venöse Füllung hervorgerufen [1, 2, 5, 6]. Als alternativer Mechanismus wird eine höhere Blutviskosität aufgrund rheologischer Anomalien wie Kryoglobulinämie oder Polycythaemia vera postuliert [8]. Auch die Freisetzung vasokonstriktorischer Substanzen in hypoxischem Gewebe oder in den Gefäßen sowie ein erhöhter Sympathikotonus in den Hautarteriolen wurden vermutet [6].

Es gibt eine lange Liste assoziierter oder zugrunde liegender Erkrankungen (Tabelle 1) [1-3, 5, 6, 9, 10]. Das Marshall-White-Syndrom (Biersche Fecken in Verbindung mit Schlaflosigkeit und Tachykardie) wurde erstmals 1965 beschrieben [4]. Fälle von Bierschen Flecken, begleitet von nävoiden Teleangiektasien, wurden als dichotome vaskuläre Phänomene erkannt und auf vaskuläre allelische Zwillingsflecken zurückgeführt [3]. Das BASCULE-Syndrom (Bier anemic spots, cyanosis, and urticaria-like eruption, Biersche Flecken, Zyanose und Urtikaria-ähnlicher Ausschlag) wurde 2016 als eine neue primäre vasomotorische Entität beschrieben [10].
Obwohl Biersche Flecken flüchtig, asymptomatisch und benigne sind, ist der Verlauf tendenziell chronisch [1, 5]. In idiopathischen Fällen ist lediglich eine Beruhigung der Betroffenen erforderlich [2, 5, 8]. Die Läsionen können jedoch kosmetisch störend sein und es fehlt an einer wirksamen, palliativen oder kurativen Therapie. Bei Patienten, die eine Therapie benötigen, werden häufig Kalziumkanalblocker verschrieben. In sekundären Fällen richtet sich die Behandlung gegen die zugrunde liegende Ursache [2]. Hochdosiertes Bilastin hat sich als wirksame palliative Behandlung des BASCULE-Syndroms erwiesen [10]. Da orale Betablocker das Hintergrund-Erythem bei Rosazea lindern können, haben wir uns bei unserem Patienten, der über Hautrötungen klagte, für die Verschreibung von Propranolol und nicht für die Behandlung der Bierschen Flecken entschieden.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur

1 Lin HC, Chen CH, Su HY. Bier spots on legs associated with deep vein thrombosis during pregnancy. Taiwan J Obstet Gynecol 2015; 54: 102–4.
2 Liaw FY, Chiang CP. Bier spots. CMAJ 2013; 185: E304.
3 Huang Y, Zhang L, Li Z, Bi M. A case of Bier spots with bilateral nevoid telangiectasia. Indian J Dermatol Venereol Leprol 2020; 86: 400–3.
4 Mahajan VK, Khatri G, Singh R et al. Bier spots: An uncommon cause of mottled skin. Indian Dermatol Online J 2015; 6: 128–9.
5 Portocarrero LK, Saraiva MI, Barbosa MA et al. Bier’s spots with onset in childhood. An Bras Dermatol 2016; 91: 90–1.
6 Dobrev H, Nocheva D. Bier Spots – Report of Two Cases and Review of the Literature. Curr Rheumatol Rev 2018; 14: 42–5.
7 Villarreal-Villarreal CD, Robles-Mendez JC, Guerra-Vazquez AE, Ocampo-Candiani J. Angiospastic macules of Bier: A cause of mottled skin. Indian J Dermatol Venereol Leprol 2018; 84: 645.
8 Stinco G, Errichetti E, Patrone P. Hypopigmented macules of the limbs in two sisters: report on familial Bier spots. An Bras Dermatol 2015; 90: 738–9.
9 Yıldız H, Saman H. Bier spots on the face: the first case report. Trichol Cosmetol Open J 2016; 1: 8–10.
10 Cunningham L, Dvorakova V, Browne F, Irvine AD. High-dose bilastine for the treatment of BASCULE syndrome. Clin Exp Dermatol 2021; 46: 357–8.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft