Von der Idee zur DiGA!

Navigieren im digitalen Gesundheitsdschungel 

Medizinische Apps sind gekommen, um zu bleiben. Was früher als nettes Tool für Fitness oder als Medikationserinnerung galt, hat sich in den letzten Jahren zu einem vollwertigen Instrument der Patientenversorgung entwickelt. Die digitale Welt drängt mehr und mehr in die analoge Versorgung. Vor allem mit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) und der damit eingeführten "DiGA" (eine Abkürzung für digitale Gesundheitsanwendung auf Rezept) hat sich ein strukturierter Weg für Softwareentwickler und MedTech-Unternehmen geöffnet. Doch wie wird aus einer App eine DiGA? Welche regulatorischen, klinischen und qualitativen Anforderungen sind zu erfüllen? Und warum sind bisher kaum dermatologische DiGAs zu finden? Dieser Beitrag navigiert durch die klinischen, regulatorischen und strategischen Hürden. Schritt für Schritt, fangen wir an J 

Was ist eine App und ab wann wird sie medizinisch? 

Der Begriff "App" ist nicht neu. Ob Wetter, Spiele oder Schrittzähler – Apps sind fester Bestandteil unseres Handys und damit unseres Alltags. Doch im regulatorischen Sinne ist nicht jede Applikation gleich medizinisch. 

Eine medizinische App verfolgt einen klar definierten medizinischen Zweck. Sie dient nicht nur der allgemeinen Gesundheitsförderung (wie z. B. Fitness- oder Ernährungs-Apps), sondern hat das Ziel, eine Erkrankung zu erkennen, zu überwachen, zu lindern oder zu behandeln. Damit unterliegt sie den Regeln der Medical Device Regulation (MDR) und muss als Medizinprodukt eingestuft werden. 

Medizinprodukteklassifikation - Welche Risikoklasse hat meine App? 

Unter der MDR ist jede Software, die medizinischen Nutzen beansprucht, grundsätzlich ein Medizinprodukt. Die Einstufung in eine Risikoklasse (I, IIa, IIb, III) erfolgt gemäß den Regeln des Anhangs VIII der MDR. Hierbei wird unterschieden in: 

  • Klasse I: z. B. einfache Tagebuchfunktionen ohne Eingriffscharakter 

  • Klasse IIa: Diagnostische oder therapeutische Entscheidungsunterstützung mit geringem Risiko 

  • Klasse IIb: Einfluss auf klinische Entscheidungen mit mäßigem Risiko 

  • Klasse III: Lebensbedrohliche Konsequenzen bei Fehlfunktion 

Eine genaue Einordnung erfolgt im Zusammenspiel aus intended purpose (darauf kommen wir später), Wirkmechanismus und Nutzen. Zur Einordnung empfiehlt sich frühzeitig die Einbindung eines Regulatory Affairs-Experten. 

Der Weg zur CE-Zertifizierung 

Der Weg zur CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt beginnt mit einer Produktdefinition (Intended Purpose steht hier für Zielgruppe und Indikation), gefolgt von einer umfassenden Risikoanalyse nach ISO 14971. 

Zentrale Elemente dabei sind: 

  • die Technische Dokumentation gemäß Anhang II der MDR 

  • ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) nach ISO 13485 

  • eine klinische Bewertung inkl. PMCF (Post-Market Clinical Follow-up) und 

  • eine Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle (ab Klasse IIa erforderlich), also so etwas wie der TÜV, quasi als Abnahme. 

Die klinische Bewertung basiert üblicherweise auf Literaturdaten, äquivalenten Produkten oder eigenen Studien und entspricht in Ihrer Ausarbeitung in etwa einer Meta-Analyse. Für viele DiGA-Kandidaten empfiehlt sich zudem ein Clinical Development Plan (CDP) mit definierten Endpunkten, Einschlusskriterien und Auswertungsstrategie. Denn schließlich arbeiten verschiedene Disziplinen an einer solchen App, von Programmierern bis Ärzten (im besten Fall). 

Aber was ist denn nun eine DiGA?  

Die Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) ist ein durch das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) geprüftes Medizinprodukt niedriger Risikoklasse (I oder IIa), das von Ärzten verschrieben und von der GKV erstattet werden kann. Voraussetzungen für die Listung im DiGA-Verzeichnis sind: 

  • CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt 

  • eine auf digitaler Technologie beruhende Hauptfunktion 

  • der Nachweis von positiven Versorgungseffekten (pVE) und 

  • die Datenschutzkonformität nach DSGVO 

DiGAs bieten Patienten niederschwelligen Zugang zu Leitlinienkonformer, digitaler Therapieunterstützung, mit den unterschiedlichsten Indikationen wie z.B. bei Depression, Adipositas oder Tinnitus. 

Und was passiert mit dem DiGA-Antrag beim BfArM? 

Der Antrag auf DiGA-Listung erfolgt über das sogenannte Fast-Track-Verfahren beim BfArM. Innerhalb von drei Monaten wird ein eingegangener Antrag bewertet. Benötigt werden dabei unter anderem: 

  • die technische Dokumentation 

  • Angaben zur Interoperabilität 

  • der Nachweis zur Informationssicherheit 

  • der Nachweis zum pVE durch Studien 

Man erkennt: das BfArM legt Wert auf Studien-Evidenz. Anwendungen mit vorläufigen Daten können auch nur vorläufig gelistet werden. Für Sie gilt die Auflage, innerhalb eines Jahres valide Studienergebnisse nachzureichen (z.B. durch randomisierte kontrollierte Studien, sogenannte RCTs). Bei Der Planung einer DiGA muss man sich also gewiss sein, dass eine RCT Teil des Clinical Development Plans ist. 

Studienlage und pVE – was zeigt die Wissenschaft? 

Laut BfArM ist der positive Versorgungseffekt das Herzstück jeder DiGA. Um in der Marketing Sprache zu bleiben: der Unique Selling Point. Dieser kann medizinischer (z. B. zur Symptomverbesserung) oder struktureller Natur sein (z. B. zur besseren Therapieadhärenz). Bisherige Studien zeigen ein durchwachsenes Ergebnis. Diskutiert werden teils verbesserte Behandlungserfolge durch personalisierte Intervention, erhöhte Adhärenz bei chronischen Erkrankungen und damit weniger Arztbesuche durch Selbstmanagement. Allerdings sind viele DiGAs auch eher aus dem psychiatrischen Formenkreis erforscht und gelistet. (siehe Link: www.diga-verzeichnis.de) 

Festzuhalten ist, dass die Studienqualität entscheidet. Akzeptiert werden meist randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit patientenrelevanten Endpunkten. Hier ist der Goldstandard medizinischer Evidenz gesetzt. 

Wie wird eine DiGA nun bezahlt? 

DiGAs werden nach ihrer Aufnahme in das Verzeichnis für ein Jahr frei preisfähig erstattet. Danach erfolgt die Preisverhandlung mit dem GKV-Spitzenverband. Aktuell bewegen sich die Preise pro Nutzung oft zwischen 100–400 Euro. 

Vergütet wird die Nutzung übrigens durch den Patienten, nicht durch den Arzt und zwar durch seine Krankenkassen-Beiträge. Zusätzlich sind auch Arzt-Leistungen zur DiGA-Begleitung über EBM-Ziffern abrechenbar (z. B. bei Einweisung oder zur Verlaufskontrolle). 

Warum gibt es noch keine dermatologischen DiGAs? 

Tatsächlich ist die Liste der bisher gelisteten DiGAs dermatologisch leer. Warum? Mögliche Gründe hierfür könnten sein: 

  • Schwierig definierbare patientenrelevante Endpunkte 

  • Fehlende Studien mit RCT-Design 

  • Datenschutzsensible Bildverarbeitung bei Hautveränderungen 

Dabei wären dermatologische DiGAs hochrelevant, z. B. für: 

  • Therapieunterstützung bei chronischen Erkrankungen wie Akne Inversa 

  • Hautpflege-Adhärenz 

  • Selbstkontrolle bei Psoriasis-Schüben 

  • KI-gestützte Verlaufsdokumentation 

Fazit: Digitale Medizin braucht klinische Tiefe 

Die Transformation von einer App zur erstattungsfähigen DiGA ist ein vielschichtiger Prozess. Besonders die klinische Bewertung ist kein formaler Akt, sondern das Herzstück eines nachhaltigen Marktzugangs. Wer hier sauber arbeitet, langfristig denkt und regulatorische Intelligenz mit Nutzerzentrierung kombiniert, hat eine echte Chance auf Markterfolg, auch in der Dermatologie. Die Datenlage wächst, die Technologie ist reif. Jetzt fehlt nur noch der Mut zur Umsetzung.  

Jeder, der eine medizinische App entwickelt und den DiGA-Weg gehen möchte, sollte frühzeitig interdisziplinär planen: Regulatory Affairs, Medizin, Softwareentwicklung und Klinik müssen (!) Hand in Hand arbeiten. Dann kann aus einer guten Idee ein digitales Medizinprodukt werden, mit echtem Mehrwert für Patienten und Versorgung. 

Daher für euch nochmal zusammengefasst der Schritt-für-Schritt Plan. So wird aus deiner App eine DiGA 

  1. Produktdefinition: Was ist das Ziel, wer ist die Zielgruppe? 

  1. Klassifizierung: Risikoklasse gemäß MDR feststellen 

  1. QMS aufsetzen: ISO 13485 konform 

  1. Technische Dokumentation erstellen 

  1. Klinische Bewertung starten (CEP, CER, PMCF) 

  1. CE-Kennzeichnung erhalten 

  1. DiGA-Antrag stellen 

  1. pVE nachweisen (z. B. durch RCT) 

  1. Zulassung erhalten und vermarkten 

  1. Monitoring (PMS, Vigilance und Updates) 

Autor: BK