Diagnose

Kopfhautnekrose bei Riesenzellarteriitis

Weiteres Procedere und klinischer Verlauf
Die Laboruntersuchungen ergaben erhöhte Entzündungswerte (C-reaktives Protein 85,7 mg/l; Leukozyten 7,4 Gpt/l), ein erhöhter Wert für Varizella-zoster-Virus (VZV)-IgG
(1 187 mIU/ml) und ein normwertiges VZV-IgM-Level (< 0,10). Im Liquor des Patienten konnten weder Herpes-simplex- Viren noch VZV nachgewiesen werden. Von einer
PCR-Untersuchung eines Abstriches wurde aufgrund fehlender Vesiculae abgesehen.
In der Duplex-Sonographie der extrakraniellen Gefäße wurde eine hypoechogene Wandverdickung (bis zu 1,6 mm) der rechten Arteria carotis externa sowie eine Stenose der abgehenden Gefäße dargestellt. In keiner der beiden Temporalarterien konnte ein Blutfl uss nachgewiesen werden; auch ein Halo-Zeichen fand sich nicht. Die Befunde der elektrophysiologischen sowie der transkraniellen Doppleruntersuchungen waren unauffällig.
Es folgte eine Therapieeinleitung mit Prednisolon per os (100 mg/d), welches über zwei Monate ausgeschlichen wurde. Nach einer Verbesserung der Läsionen wurden diese
nachfolgend chirurgisch abgetragen und mit einem Spalthauttransplantat gedeckt. Aktuell nimmt der Patient täglich 30 mg Prednisolon als Erhaltungsdosis.


Diskussion
Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine seltene immunvermittelte, granulomatöse Gefäßentzündung der mittelgroßen und großen Arterien. Bevorzugt betroffen sind die kranialen Abgänge der Karotiden bei Patienten über dem 50. Lebensjahr [ 1–4 ] . Hautmanifestationen im Stromgebiet der Temporalarterien (TA) sind in der Literatur beschrieben [ 5 ] . Die Inzidenz der RZA variiert zwischen sechs und 32 Fällen pro 100 000 pro Jahr und es liegt eine Assoziation mit der Polymyalgia
rheumatica vor [ 2, 6 ] . Die RZA gilt als medizinischer Notfall, der zu Gefäßokklusion und schmerzhafter Gewebeischämie führen kann. Erblindung tritt in ca. 20 % der Patienten und eine Kopfhautnekrose in 5 % der Fälle auf [ 7–10 ] .
Die Pathogenese der RZA bleibt weiterhin unklar, wobei sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem die Gefäßschäden verursachen. Unter der Annahme,
dass Infektionen ursächlich sind, scheint die Aktivierung von in der Adventitia ortsständigen dendritischen Zellen via Toll-like-Rezeptoren ein wichtiger Triggerfaktor zu sein [ 11 ] . Auch dem VZV wird zugeschrieben, eine relevante Ursache von Gefäßerkrankungen zu sein. In solchen Fällen scheint eine antivirale Therapie die Erkrankung effektiv zu verhindern [ 12 ] .
Das VZV-Antigen war in Proben von Temporalarterien (TA ) von Patienten mit RZA-positiven TA und in RZA-negativen TA häufi ger vertreten als von Patienten mit normalen
TA ohne RZA [ 13 ] . Weiterhin wurde positive immunhistochemische Färbung mit VZV-Antikörpern in diversen Myozyten-Typen,
unterschiedlichen Arterien und verschiedenen klinischen Konstellationen nachgewiesen. Dies geht wahrscheinlich auf gemeinsame Epitope zurück [ 14 ] . Weitere Studien bezüglich dieser möglichen Kreuzreaktivität sind nötig.
Der Behandlungsbeginn sollte so rasch wie möglich erfolgen, wobei Glukokortikoide den therapeutischen Goldstandard darstellen. Eine Gabe von 1 mg/kg Prednisolon täglich führt zu einer Linderung der Symptome innerhalb von 24–48 Stunden. Nichtsdestotrotz kommt es unter der Reduktion der Prednisolondosis bei 80 % der Patienten zu relevanten unerwünschten Nebenwirkungen; Rückfälle sind häufig [ 1, 15 ] . Aus diesem Grund werden weitere Therapieoptionen benötigt. Andere Immunsuppressiva wurden ohne zufriedenstellende Wirkung angewandt. Tocilizumab, ein humanisierter, monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor, durchläuft derzeit eine Phase-II-Studie zur Induktion und Erhaltung der Remission der RZA [ 2 ] . Abatacept und Ustekinumab scheinen ebenfalls effektiv zu sein [ 15 ] .
Die Riesenzellarteriitis sollte als wichtige Differenzialdiagnose bei Patienten mit schmerzhaften Kopfhautnekrosen bedacht werden. Hautbiopsien können bei der Diagnosefindunghelfen.


Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
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