Diagnose

Diagnose:

Multiple osteoma cutis

Weitere Diagnostik, Therapie und klinischer Verlauf
Die Zusammenschau der Ergebnisse der komplementären Tests und das Fehlen systemischer Erkrankungen, die mit Störungen des Knochenstoffwechsels assoziiert werden, führten zu der Diagnose einer spontanen primären dermalen Ossifikation, auch als Osteoma cutis bezeichnet. Eine Untersuchung zu Mutationen des GNAS-Gens wurde nicht veranlasst, weil sie in unserer Klinik nicht verfügbar ist. Da die Patientin eine Behandlung mit dem CO2-Laser ablehnte, erhielt sie eine lokale Behandlung mit Natriumthiosulfat (25%ige Creme O/W, 2 x täglich). Nach sechs Monaten konnte eine deutliche Verbesserung der Hautveränderungen festgestellt werden. Es waren weniger Läsionen zu sehen und die verbleibenden Läsionen hatten sich verkleinert.

Diskussion
Die dermale Ossifikation ist eine seltene Störung, bei der sich in der Haut Knochengewebe bildet. Osteome können primär ohne eine vorhergehende lokale oder systemische Erkrankung oder sekundär nach kutanen entzündlichen oder neoplastischen Erkrankungen auftreten [1]. Bei Osteoma cutis multiplex bilden sich kleine Knochenfragmente in der Dermis und im subkutanen Gewebe. Mutationen des ACVR1-Gens [2] beziehungsweise des GNAS-Gens [3] sind für die progressive Ossifikation bei Fibrodysplasia ossificans progressiva beziehungsweise der progressiven ossären Heteroplasie (POH) verantwortlich. Der Ursprung der Osteom-bildenden Zellen bei Osteoma cutis ist nicht bekannt.
Die meisten veröffentlichten Fälle von Osteoma cutis betreffen Patienten mit einer Vorgeschichte von Akne [4]. Die Osteome sind am häufigsten im Gesicht lokalisiert [5]. Weitere ebenfalls betroffene Bereiche sind Stirn und Dekolleté [6]. Es wird angenommen, dass Osteome sekundär als dystrophische Veränderungen bei Aknenarben entstehen. Die Lokalisation auf der Kopfhaut [7] ist ungewöhnlich und tritt vor allem bei Männern auf.

Aus klinischer Sicht sind derbe Papeln und Knötchen charakteristisch für Osteoma cutis. Die Röntgenaufnahmen zeigen die Bildung von kleinen Knochenfragmenten in der Dermis und im subkutanen Gewebe. Die Dermatoskopie zeigt in der Regel einen amorphen gelblich-weißen zentralen Bereich, der von einem diskreten Erythem umgeben ist.
Bei unserem Patienten sahen wir jedoch gelbliche Papeln und Knoten, die gut abgegrenzt waren und sich in glänzenden, weißen, ovalen Arealen ohne Gefäßstrukturen befanden. Die Ultraschalluntersuchung der Haut ist eine nützliche ergänzende Methode zur Abklärung von extraskelettalen Ossifikationen. Das Vorhandensein multipler hyperechogener linearer und rundlicher Strukturen in Verbindung mit einem hypoechogenen Schallschatten sind charakteristische Ultraschallbefunde [8]. Die Histopathologie zeigt eine Neubildung von lamellären Knochengewebe, die sich am Verlauf der Kollagenfasern ausrichtet. Osteoma-cutis-Zellen können bei Immunfärbung positiv für BMP-2 und/oder BMP-4 sein [9].

Verkalkte Milien, Talgdrüsenhyperplasie, Basalzellkarzinom, Warzen, ekkrines Hidrozystom, kutane Sarkoidose und Lupus miliaris zählen zu den Differenzialdiagnosen des Osteoma cutis. Die Signalmechanismen, welche die Stammzellen in die osteogene Differenzierung führen, sind unbekannt, sie könnten allerdings für das Auftreten der dystrophen Kalzifizierung bei Aknenarben und nach photodynamischer Therapie, wie im Falle unseres Patientin, verantwortlich sein. Fälle von Osteoma cutis nach topischer Behandlung einer aktinischen Keratose sind bisher in der Literatur nicht berichtet worden. Dies ist der erste Fall, der eine Bildung von Osteoma-cutis-Läsionen nach einer photodynamischen Therapie beschreibt. Von einigen Autoren wurde über die therapeutische Wirksamkeit von topischen Retinoiden [10] berichtet, vor allem in Fällen von Osteoma cutis, die bei Akne auftreten. Kleine Skalpell- oder Nadelinzisionen über den Läsionen haben sich als einfaches und erfolgreiches Behandlungskonzept erwiesen. Aber auch die Ablationen mit CO2- [11] oder Erbium-dotiertem Yttrium-Aluminium-Granat (Er:YAG)-Laser sind geeignete und effektive Therapieoptionen, die zudem zu besseren ästhetischen Ergebnissen führen. Bei Calcinosis cutis wurde Natriumthiosulfat-Creme 25 % eingesetzt [12]. Das gute Sicherheitsprofil und die einfache Anwendung der Creme machen sie zu einer nützlichen therapeutischen Option bei Kalziumablagerungen (und dermaler Ossifikation), wie wir sie im Fall unserer Patientin beobachtet haben. Um die Eignung ihrer Anwendung bei Patienten mit der Diagnose Osteoma cutis zu belegen, sind weitere Studien erforderlich.
Ein Osteoma cutis findet sich nur in seltenen Fällen auf der Kopfhaut. Das Auftreten dieser Läsionen nach der lokalen Behandlung einer aktinischen Keratose, zum Beispiel mit einer photodynamischen Therapie, könnte einen neuen kausalen Zusammenhang aufzeigen. Die topische Applikation von Natriumthiosulfat könnte eine neue therapeutische Option für Patienten sein, die eine invasive Behandlung ablehnen.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Touart DM, Sau P. Cutaneous deposition disease. Part II. J Am Acad Dermatol 1998; 39: 527–44, quiz 545–6.
2 Shore EM, Xu M, Feldman GJ et al. A recurrent mutation in the BMP type I receptor ACVR1 causes inherited and sporadic fibrodysplasia ossificans progressiva. Nat Genet 2006; 38: 525–7.
3 Yeh GL, Mathur S, Wivel A et al. GNAS1 mutation and Cbfa1 misexpression in a child with severe congenital platelike osteoma cutis. J Bone Miner Res 2000; 15: 2063–73.
4 Duarte BM, Pinheiro RR, Cabete J. Multiple miliary osteoma cutis: a comprehensive review and update of the literatura. Eur J Dermatol 2018; 28: 434–9.
5 Stanke S, Wessling-Assmann K, Metze D. Multiple miliary osteomas of the face. J Dtsch Dermatol Ges 2003; 1: 131 3.
6 Durani B, Wind D, Hartschuh W. White papules on forehead and décolleté. J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13: 339–40.
7 Painsi C, Tarmann R, Würtz FG et al. Multiple miliary osteoma cutis of the scalp. J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13: 1185–7.
8 Elia F, Paolino G, Donati M, Solivetti FM. Ultrasound pattern of a rare skin disease: multiple miliary osteoma cutis. J Ultrasound 2015; 19: 145–7.
9 Lopez-Robles J, Pérez-Plaza A, Requena L, Santonja C. Osteoma cutis arising in common blue nevus (blue osteonevus): a clinicopathologic, immunohistochemical, and dermoscopy study. Am J Dermatopathol 2019; 41: e19–e21
10 Cohen AD, Chetov T, Cagnano E et al. Treatment of multiple miliary osteoma cutis of the face wiht local application of
tretinoin (all-trasacid): a case report and review of the literatura. J Dermatol Treat 2001; 12: 171–4
11 Retamar RA, Hernandez MI, Battista V. Multiple miliary osteoma of the face. Three cases treated with carbono dioxide laser. Dermatol Argent 2009; 15: 111–6.
12 García-García E, López-López R, Álvarez-Del-Vaco C, Bernabeu-Wittel J. Iatrogenic calcinosis cutis successfully treated with topical sodium thiosulfate. Pediatr Dermatol 2017; 34: 356–8.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft