Diagnose

Diagnose:
Multifaktorielle Vaskulopathie

DISKUSSION
Vaskulopathien sind eine Gruppe multiätiologischer nichtentzündlicher Gefäßerkrankungen. Die spezifischen Ursachen sind vielfältig; ein Zusammenspiel hämostaseologischer, immunologischer und infektiöser Faktoren führt zu Gefäßverschlüssen, die sich klinisch als hämorrhagische Flecken und Nekrosen zeigen. (1,2) Die Gefäßverschlüsse werden entweder durch Veränderungen der Blutzusammensetzung (Hyperkoagulabilität), Veränderungen der Gefäßwand (Endothelschädigung) oder Veränderungen der Blutflussbedingungen (Stase des Blutflusses), der Trias von Virchow, mit sekundärer Zytokinaktivierung und Entzündung verursacht, (3) (Abbildung 2). Das kann auf intrinsischen (zum Beispiel Antiphospholipid-Syndrom, thrombotische-thrombozytopenische Purpura, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, Paraproteine) oder extrinsischen (zum Beispiel Infektion, Bestrahlung, Medikamentewie Cumarin, Drogen) Faktoren beruhen. (2,4) Vaskulopathien sollten von einer Vaskulitis (primärer Entzündung der Gefäßwand) unterschiedenwerden. Bei beiden Formen von Angiopathien kann eine systemische Erkrankung mit Beteiligung innerer Organe zugrunde liegen, während die Haut oft das primäre Manifestationsorgan ist. (5–7)
Die im vorliegenden Fall beschriebenen Hautveränderungen deuten auf eine Purpura fulminans hin, die als eine Untergruppe der Vaskulopathien einen hämatologischen Notfall darstellen und auf einen angeborenen oder erworbenenMangel an Protein C oder S (Antikoagulans-Proteine) zurückzuführen sind. Die Purpura fulminans kann mit einer Sepsis einhergehen und zu einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) führen. (8,9) Die Gerinnungsdiagnostik unserer Patientin ergab keinen Hinweis auf eine DIC, und auch die Sepsiskriterien waren nicht erfüllt. Die Ergüsse an Pleura und Perikard entstanden am ehesten reaktiv im Zusammenhang mit der Zytokinfreisetzung. Histologisch weisen Vaskulopathien im Gegensatz zur Vaskulitis ein fehlendes primär entzündliches Gefäßinfiltrat sowie Mikrothromben in allen Schichten der Dermis auf. (10)
Wir interpretierten den vorliegenden Fall als eine Vaskulopathie der kleinen Gefäße bei zugrundeliegendem IgM-MGUS. Das Venenstripping, die Verwendung von Fondaparinux und eine infektiöse Komplikation sahen wir als die wesentlichen transienten Auslöser, die zu einer systemisch veränderten Gerinnungstendenz mit Ablagerung von Paraprotein im Gefäß führten. Eines der definierenden Kriterien der MGUS ist die Paraproteinämie, die den Anstieg vonmonoklonalen Immunglobulinen oder deren Fragmenten im Blut beschreibt und im Zusammenhang mit lymphoproliferativen Erkrankungen auftritt. Die klinische Relevanz der Proteinämie hängt von der zugrundeliegenden Grunderkrankung und den daraus resultierenden rheologischen oder anderen autoimmunologischen Folgen ab. (11,12)

Eine wichtige Differenzialdiagnose ist die Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) mit Ausbildung von Hautnekrosen (hier Anwendung des Faktor-Xa-Inhibitors Fondaparinux als möglicher Auslöser), die etwa eine Woche nach der ersten Anwendung auftreten kann und in unserem Fall durch eine erhöhte Thrombozytenzahl ausgeschlossen wurde.(13) Selten wurde eine niedermolekulare
Heparin-induzierte Hautnekrose in Form einer immunoallergischen HIT ohne Thrombozytopenie beschrieben, die in unserem Fall nicht mit dem klinischen Bild korrelierte. (14)
Aufgrund des stark erhöhten CRP-Wertes leiteten wir eine systemische Antibiotikatherapie ein. Außerdem setzten wir die prophylaktische Antikoagulation mit einem niedermolekularen Heparin (Dalteparin-Natrium 5000 I.E. 1 x täglich) fort. Das führte zur Abheilung der Hautläsionen und zur Schmerzlinderung. Die Antikoagulation wurde über mehrere Monate fortgesetzt. Nach Absetzen war der Hautbefund stabil, ohne dass es zu neuen Komplikationen kam. Je nach Einzelfall kann auch eine (vorübergehende) therapeutische Antikoagulation erwogen werden, wie sie bei der häufigeren Livedovaskulopathie empfohlen und eingesetzt wird. (15) Allgemeine Ziele in der Therapie von Vaskulopathien sind die Identifizierung von auslösenden Faktoren, die Beseitigung von Gefäßverschlüssen und insbesondere die Behandlung der Grunderkrankung, (2) was in unserem Fall nicht notwendig war.
Abhängig von ihrer Ätiologie können Vaskulopathien einen fulminanten klinischen Verlauf nehmen. Aus diesem Grund sind eine rasche Diagnostik, die Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen und eine frühzeitige Einleitung der Therapie entscheidend für die Prognose der Erkrankung.

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1. Sunderkötter C. Vaskulitis und Vaskulopathien. In: PlewigG, Ruzicka T, Kaufmann R, Hertl M: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie.
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2. Volc S,Maier JC, Rocken M. [Skin diseases due to systemic vasculitides and vasculopathies]. Hautarzt. 2016;67:948-959.
3. Virchow R. Phlogose und Thrombose im Gefäßsystem. Gesammelte Abhandlungen zur Wissenschaftlichen Medicin, Meidinger Sohn & Comp, Frankfurt a.M., 1856.
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9. Perera TB, Murphy-Lavoie HM. Purpura Fulminans. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; July 18, 2022.
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15. Schiffmann M-L, Dissemond J, Erfurt-Berge C, et al. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Livedovaskulopathie. J Dtsch Dermatol Ges. 2021;19:1667-1678.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
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