Diagnose

Diagnose:

kutanes Angiosarkom

Diskussion
In Zusammenschau aller klinischen und histologischen Befunde wurde bei der Patientin ein hochdifferenziertes kutanes Angiosarkom im Stadium UICC IB (cT2a cN0 cM0 G1) diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch wurde vor Erhalt des Biopsiebefundes ein Lichen planopilaris oder eine frontal fibrosierende Alopezie in Erwägung gezogen. Das Angiosarkom (AS) ist ein seltenes und aggressives Malignom mit einer Inzidenz von 2–5/1 000 000 Neuerkrankungen pro Jahr, welches weniger als 1 % aller Weichteilsarkome ausmacht [1, 2]. Kutane AS können spontan, als Folge einer Bestrahlung (strahlenassoziiertes Angiosarkom, RAA) oder in Verbindung mit einem chronischen Lymphödem (Stewart-Treves- Syndrom) entstehen [3]. Ebenso wurden Angiosarkome auf AV-Fisteln bei nierentransplantierten Patienten unter Immunsuppression mit einem fortbestehenden, künstlich angelegten, arteriovenösen Dialyseshunt beschrieben [4]. Der Primärtumor findet sich am häufigsten an der Haut (kutanes Angiosarkom), wobei 62,1 % der kutanen AS zunächst im Kopf- und Halsbereich auftreten [5]. Das kutane AS der Kopfhaut hat im Vergleich zu anderen Körperstellen eine besonders schlechte Prognose [2]. Risikofaktoren, die mit einem schlechten Gesamtüberleben assoziiert sind, sind höheres Alter, eine große Tumorgröße (> 5 cm), eine R1/2-Resektion, eine fortgeschrittene Invasionstiefe und das Vorhandensein von Fernmetastasen [5]. Insgesamt beträgt die mittlere 5-Jahres Überlebensrate von Patienten mit Angiosarkomen nur 33,5 %, was auf eine frühe hämatogene Metastasierung zurückzuführen ist [6, 7].

Die klinische Diagnose eines Angiosarkoms gestaltet sich oft schwierig. Das kutane AS der Kopfhaut verläuft häufig oligosymptomatisch, sodass die Diagnose, wie im hier beschriebenen Fall, oft erst in einem fortgeschrittenen Tumorstadium gestellt wird. Histopathologisch hat das kutane AS eine sehr variable Morphologie und kann Ähnlichkeiten mit anderen vaskulären Tumoren, zum Beispiel mit Hämangiomen aber auch Epithelkarzinomen aufweisen [2, 3]. Die Immunhistochemie spielt bei der Diagnosestellung des kutanen AS eine wichtige Rolle: Angiosarkome exprimieren oftmals Endothelzellmarker wie den Von-Willebrand-Faktor, CD34 und CD31, wobei die Expression je nach Differenzierung des Tumors variieren kann [8]. Die korrekte Diagnose gelingt anhand der klinisch-pathologischen Korrelation.

Die Therapie der Wahl in der Sarkomtherapie ist die vollständige Exzision (R0-Resektion), der, mit Ausnahme der RAA, in der Regel eine postoperative Radiatio folgt [5]. Bei R1-Resektion wird eine Radiochemotherapie favorisiert [7]. Allerdings ist eine vollständige Exzision bei großen Primärtumoren in anatomisch delikaten Arealen wie Kopf und Hals oft nicht möglich. Bei inoperablen Angiosarkomen wird primär eine Taxan-haltige Chemotherapie empfohlen [5]. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind unter anderem die gezielte Beeinflussung des Vascular-Endothelial-Growth-Factor (VEGF)-Signalwegs sowie die Therapie mit Betablockern, vor allem Propranolol. Die klinische Wirksamkeit dieser Medikamente wird derzeit in mehreren klinischen Studien untersucht [9]. Unsere Patientin lehnte eine chirurgische Exzision ab und erhielt fünf Zyklen Docetaxel 25mg/m²/KOF an Tag 1, 8, 15 sowie eine CT- und MRT-gesteuerte, begleitende perkutane Radiatio über zehn Tage bis kumulativ 70 Gy. Die Therapie wurde gut vertragen und führte zu einer vollständigen Remission (Abbildung 3). Als Nebenwirkungen traten Docetaxel-assoziierte Alopezie und trockene Haut auf. Auch 20 Monate nach Erstdiagnose zeigte sich kein Rezidiv des Angiosarkoms. Unsere Patientin hatte bereits vor Diagnose des kutanen AS eine Dauertherapie mit Bisoprolol zur Behandlung des arteriellen Hypertonus erhalten. Da eine β-Blockade das Wachstum des kutanen Angiosarkoms beeinflussen und sowohl das progressionsfreie als auch das Gesamtüberleben von Patienten mit metastasiertem Angiosarkom verbessern kann, könnte dies zum günstigen Krankheitsverlauf unserer Patientin beigetragen haben [10, 11]. Zusammenfassend ist das kutane Angiosarkom eine sehr seltene Erkrankung, welche oft eine diagnostische Herausforderung darstellt. In den meisten Fällen findet sich der Primärtumor im Bereich der behaarten Kopfhaut, womit die genaue Untersuchung des gesamten Kapillitiums bei allen Patienten mit Haarausfall von größter Bedeutung ist. Die zeitnahe Diagnose und Einleitung einer Therapie ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung des kutanen AS.

 

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Ishida Y, Otsuka A, Kabashima K. Cutaneous angiosarcoma: update on biology and latest treatment. Curr Opin Oncol 2018; 30(2): 107–12.
2 Gaballah A, Jensen C, Palmquist S et al. Angiosarcoma: clinicaland imaging features from head to toe. Br J Radiol 2017; 90(1075): 20170039.
3 Shustef E, Kazlouskaya V, Prieto V et al. Cutaneous angiosarcoma: a current update. J Clin Pathol 2017; 70(11): 917–25.
4 Schüürmann M, Voth H, Ziemer M, Simon J, Grunewald S. Epithelioid angiosarcoma arising from a frontoparietal arteriovenous malformation. J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17(1): 79–81.
5 Fujisawa Y, Yoshino K, Fujimura T et al. Cutaneous angiosarcoma: the possibility of new treatment options especially for patients with large primary tumor. Front Oncol 2018; 8: 46.
6 Shin J, Roh S, Lee N et al. Predisposing factors for poor prognosis of angiosarcoma of the scalp and face: Systematic review and meta-analysis. Head Neck 2016; 39(2): 380–6.
7 Kohlmeyer J, Steimle-Grauer S, Hein R. Cutaneous sarcomas. J Dtsch Dermatol Ges 2017; 15(6): 630–48.
8 Requena C, Alsina M, Morgado-Carrasco D et al. Kaposi sarcoma and cutaneous angiosarcoma: guidelines for diagnosis and treatment. Actas Dermosifiliogr 2018; 109(10): 878–87.
9 Weidema M, Versleijen-Jonkers Y, Flucke U et al. Targeting angiosarcomas of the soft tissues: A challenging effort in a heterogeneous and rare disease. Crit Rev Oncol Hematol 2019; 138: 120–31.
10 Chow W, Amaya C, Rains S et al. Growth attenuation of cutaneous angiosarcoma with propranolol-mediated β-blockade. JAMA Dermatol 2015; 151(11): 1226.
11 Amaya C, Perkins M, Belmont A et al. Non-selective beta blockers inhibit angiosarcoma cell viability and increase progression free- and overall-survival in patients diagnosed with metastatic angiosarcoma. Oncoscience 2018; 5(3–4): 109–19.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft