Diagnose

Pilus migrans

Die klinisch und dermatoskopisch auffallende faserartige Struktur konnte einem epidermal gelegenen Haarschaft zugeordnet werden, ließ sich mit einer Pinzette komplikationslos entfernen und sicherte die Diagnose Pilus migrans.

Bei kutanen Pili migrantes dringt der Haarschaft durch eine Eintrittspforte oder auch durch intakte Haut in die oberflächlichen Hautschichten ein und erzeugt eine scheinbar wandernde Hautläsion. Aufgrund der Lokalisation an der Fußsohle ist im vorliegenden Fall von einer exogenen Haarquelle auszugehen, bei der sich der Fremdkörper epidermal befindet und somit als dunkle Linie sichtbar ist [1–4]. Bisher beschriebene Lokalisationen sind Fußsohle, Zehen, Knöchelregion und Unterschenkel [2, 5]. Haare menschlichen und tierischen Ursprungs können zudem zu Fistelbildung und Granulomen führen. Diese treten als barber’s disease gehäuft interdigital, aber auch bei Tierhaltern an Kontaktbereichen wie Unterarmen und Stamm auf [6]. Auch das dermale Einwachsen eines endogenen Haarschaftes ist möglich. Hierbei liegt der Haarschaft subepidermal und ist oft nicht ohne weiteres sichtbar. Bei 12 von 14 berichteten Fällen eingewachsener Haare aus Japan traten die Veränderungen an Wangen, Nacken, Brust und im Genitalbereich au [1–3]. Franbourg und Mitarbeiter wiesen nach, dass Haar von Asiaten die größte Querschnittsfläche mit höchster Zugstärke aller ethnischer Gruppen besitzt, was die relative Häufigkeit der Fallberichte im ostasiatischen Raum erklären mag [7].

Seit dem ersten dokumentierten Fall von Pilus migrans 1957 wurden 26 weitere Berichte veröffentlicht [1–5, 8–14]. Das Alter der Patienten reichte von 15 Monaten bis 58 Jahre, 16 der Patienten, einschließlich unseres Patienten, waren männlich [3, 12].


Pili migrantes sind eine der möglichen Differenzialdiagnosen der parasitären, in den Tropen häufigen und sich immer wieder in Deutschland als „Urlaubsmitbringsel“ zeigenden kutanen Larva migrans, die durch eine Infektion mit Hakenwürmern (meist Ancylostoma braziliense) verursacht wird. Diese konnte aufgrund der fehlenden Reiseanamnese beim aktuellen Patienten anamnestisch ausgeschlossen werden. Im
Gegensatz zur Larva migrans, die sich von der Eintrittsstelle aus in jeglicher Richtung fortbewegen kann und dabei häufig ein stark gewundenes Bewegungsmuster aufweist, wird bei Pili migrantes die Bewegungsrichtung besonders plantar vermutlich durch muskuläre Kontraktion gelenkt und zeigt eher filiforme Verläufe. Ein rascheres Ausbreiten der Hautveränderungen bei vermehrter Belastung des betroffenen Areals konnte nachgewiesen werden. Während die Läsionen der Larva migrans sehr häufig durch ausgeprägt entzündliche, sehr stark juckende Hautveränderungen gekennzeichnet sind, können Pili migrantes asymptomatisch sein oder wie auch im vorliegenden Fall mit eher leichten Schmerzen einhergehen [1–4, 15].
Weitere Differenzialdiagnosen parasitärer Genese sind die durch die afrikanische Wanderfilarie Loa Loa verursachte Loiasis (Läsionen häufig an Handgelenken, Unterschenkeln und Gesicht lokalisiert) und durch Fadenwürmer induzierte Gnathostomiasis sowie Larva currens (beide oft an Stamm und Gluteus auftretend), die ebenfalls eine entsprechende Reiseanamnese voraussetzen [15, 16].

Interessenkonflikt
Keiner.

Korrespondenzanschrift 
Sofie Jensen 
Gemeinschaftspraxis Prof. Abeck/Dr. Geisenfelder 
Renatastraße 72 
80639 München 
E-Mail: sofie.jensen@web.de 

Literatur
1 Kim JY, Silverman RA. Migrating hair: A case confused with cutaneous larva migrans. Pediatr Dermatol 2010; 27: 628–30.
2 Luo DQ, Liu JH, Huang YB et al. Cutaneous pili migrans: a case report and review of the literature. Int J Dermatol 2009; 48: 947–50.
3 Sakai R, Higashi K, Ohta M et al. Creeping hair: an isolated hair burrowing in the uppermost dermis resem – bling larva migrans. Dermatology 2006; 213: 242–4.
4 Ishida Y, Matsubara K, Takai M et al. A case of ‘‘creeping hair’’ resembling cutaneous larva migrans. Clin Exp Dermatol 2009; 34: 256–7.
5 Xie H, Zhang Rz, Zhu Wy. An new site of cutaneous pili migrans in a 6-month-old infant. Indian J Dermatol Venereol Leprol 2012; 78: 498–9.
6 Mairhofer D, Schmidt P, Kitzwögerer M et al. An uncommon zoonosis. J Dtsch Dermatol Ges 2008; 6(10): 861–4.
7 Franbourg A, Hallegot P, Baltenneck F et al. Current research on ethnic hair. J Am Acad Dermatol 2003; 48: S115–S119.
8 Yaffee HS. Imbedded hair resembling larva migrans. Arch Dermatol 1957; 76: 254.
9 Ronchese F. Burrowing hair (pili cuniculati). Arch Dermatol 1962; 85: 540–1.
10 Thai KE, Sinclair RD. Cutaneous pili migrans. Br J Dermatol 2001; 144: 219.
11 Neri I, Bianchi F, Medri M, Bardazzi F. Cutaneous pili migrans in a 3-year-old child. Pediatr Dermatol 2004;v 21: 612–3. 12 Schamberg IL, Strauss RE. Bristle migrans. Arch Derma- tol 1961; 83: 663.
13 Lehmuskallio EA. Hair fragment in the skin resembling larva migrans. Br J Dermatol 1975; 93: 349–51.
14 Kim YK, Kim JI, Hwang SH et al. Cutaneous pili migrans. Ann Dermatol 2014; 26: 534–5.
15 Sunderkötter C, von Stebut E, Schöfer H et al. S1 guideline diagnosis and therapy of cutaneous larva migrans (creeping disease). J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12(1): 86–91.
16 Vanhaecke C, Perignon A, Monsel G et al. Aetiologies of creeping Eruption: 78 cases. Br J Dermatol 2014; 170(5): 1166–9.

 

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