Diagnose

Diagnose:
Atypisches bullöses Pemphigoid unter Immuncheckpoint-Inhibition

Verlauf und Therapie
Die Patientin wurde mit Prednisolon 1 mg/kg Körpergewicht, Antihistaminika, nicht haftenden Wundauflagen in Kombination mit potenten topischen Glukokortikoiden und Tränenersatzmitteln behandelt. Nach sechs Tagen wurde sie mit deutlich gebessertem Haut- und Schleimhautbefund aus der stationären Behandlung entlassen. Die adjuvante Therapie mit Nivolumab wurde pausiert und die Glukokortikoidtherapie über sechs Wochen stetig reduziert. Eine Woche nach vollständigem Absetzen kam es zu einem Rückfall mit Auftreten neuer Hautläsionen. In der wiederholten DIF konnte nun bei Nachweis spärlicher linearer Ablagerungen von IgG und C3 entlang der Basalmembran ein bullöses Pemphigoid (BP) diagnostiziert werden. Die ELISA für BP180/230 verblieb negativ, allerdings konnten zirkulierende IgG-Antikörper gegen BP180 via Immunoblot nachgewiesen werden.

Diskussion
Da Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) mittlerweile zur Behandlung verschiedener Tumoren (beispielsweise Melanom, nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom) eingesetzt werden, ist die Kenntnis über mögliche induzierte Hautläsionen wichtig. Kutane unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten bei einem großen Prozentsatz der behandelten Patienten auf [1]. Ein makulopapulöses Exanthem ist die häufigste Nebenwirkung, schwere kutane unerwünschte Arzneimittelwirkungen und bullöse Autoimmundermatosen werden in der Literatur jedoch wiederholt beschrieben [2–7]. Das Spektrum von Stevens-Johnson-Syndrom (SJS)/ toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN) als schwerste Form kutaner Arzneimittelreaktionen wird durch eine Überstimulation autoreaktiver T-Zellen ausgelöst und ist mit bestimmten HLA (human leukocyte antigen)-Phänotypen assoziiert. Das BP wird dagegen durch zirkulierende Antikörper gegen Komponenten der Hemidesmosomen ausgelöst. Es ist unklar, welche Patienten ein größeres Risiko für schwere Hautreaktionen unter ICI haben. Im Falle einer BP-Induktion ist davon auszugehen, dass die Ausbildung von Autoantikörpern nach initialer Enthemmung der zellulären Immunreaktion durch ICI einige Zeit benötigt. Der Fall zeigt daher eine diagnostische Lücke: Aufgrund der negativen DIF vermuteten wir zuerst eine parainfektiöse toxische antiepitheliale Reaktion im Sinne eines SJS auf Nivolumab. Wir gehen aber in Zusammenschau der Befunde nun von einem atypischen BP in einer frühen Phase der Autoimmunreaktion vor Ausbildung detektierbarer Antikörper aus. Die immunfluoreszenzoptischen Untersuchungen als Goldstandard in der Unterscheidung der Erkrankungen können trügerisch sein und sollten im Zweifel wiederholt werden. Der klinische Verlauf in diesem Fall unterscheidet sich von klassischen BP, die sich durch pralle Blasenbildung und fehlende Beteiligung der Mundschleimhaut auszeichnen.
Die erste Nivolumab-Gabe erfolgte vier Wochen vor Krankheitsbeginn, dies entspricht der typischen Latenzphase für die Ausbildung von Arzneimittelreaktionen, allerdings können BP im Rahmen einer Therapie mit ICI auch erst nach Monaten auftreten [8, 9]. Es wurden Therapiealgorithmen für die Behandlung immunvermittelter unerwünschter Arzneimittelwirkungen vorgeschlagen [10]. Da sowohl TEN wie auch BP potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen sind, ist eine unmittelbare therapeutische Intervention unerlässlich. Latenzphasen und eine ungewöhnliche zeitliche Dynamik inflammatorischer Prozesse sind ein Phänomen unter ICI, das sich nicht auf kutane immunvermittelte Reaktionen beschränkt [11].
Da bei der Patientin keine BRAF-Mutation vorliegt und das Risiko eines Progresses im Stadium IIID sehr hoch ist, könnte eine erneute Therapie mit ICI zukünftig alternativlos sein. Ob ein Wechsel auf einen anderen PD1-Inhibitor wie Pembrolizumab oder einen anderen ICI wie Ipilimumab hilfreich wäre, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar.

Interessenkonflikt
Keiner.

 

 

 

Literatur

1 Patel AB, Pacha O. Skin Reactions to Immune Checkpoint Inhibitors. Adv Exp Med Biol 2017; 995: 175–84.
2 Saw S, Lee HY, Ng QS. Pembrolizumab-induced Stevens-JohnDiagnosequiz 152 © 2019 Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Published by John Wiley & Sons Ltd. | JDDG | 1610-0379/2020/1802 son syndrome in non-melanoma         patients. Eur J Cancer 2017; 81: 237–9.
3 Vivar KL, Deschaine M, Messina J et al. Epidermal programmed cell death-ligand 1 expression in TEN associated with nivolumab therapy. J Cutan Pathol 2017; 44: 381–4.
4 Amber KT, Valdebran M, Lu Y et al. Localized pretibial bullous pemphigoid arising in a patient on pembrolizumab for metastatic melanoma. J Dtsch Dermatol Ges 2018; 16: 196–8.
5 Naidoo J, Schindler K, Querfeld C et al. Autoimmune Bullous Skin Disorders with Immune Checkpoint Inhibitors Targeting PD-1 and PD-L1. Cancer Immunol Res 2016; 4: 383–9.
6 Utsunomiya A, Oyama N, Iino S et al. A case of erythema multiforme major developed after sequential use of two immune checkpoint inhibitors, nivolumab and ipilimumab, for advanced melanoma: possible implication of synergistic and/ or complementary immunomodulatory effects. Case Rep Dermatol 2018; 10: 1–6.
7 Giacaman A, Bauzá A, Olea JM et al. Annular paraneoplastic bullous pemphigoid mimicking linear IgA bullous dermatosis in a 40-year-old patient. J Dtsch Dermatol Ges 2018; 16: 482–4.
8 Sibaud V. Dermatologic reactions to immune checkpoint inhibitors: skin toxicities and immunotherapy. Am J Clin Dermatol 2018; 3: 345–61.
9 Wang LL, Patel G, Chiesa-Fuxench ZC et al. Timing of onset of adverse cutaneous reactions associated with programmed cell death protein 1 inhibitor therapy. JAMA Dermatol 2018; 154: 1057–61.
10 Kähler KC, Hassel JC, Heinzerling L et al. Management of side effects of immune checkpoint blockade by anti-CTLA-4 and anti-PD-1 antibodies in metastatic melanoma. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14: 662–81.
11 Ansorge C, Seufert J, Meiss F et al. Sequential occurrence of primary and secondary hypothyroidism during treatment with nivolumab: Pitfalls in immuno-oncological therapy and endocrinological diagnostic procedures. J Dtsch Dermatol Ges2018; 16: 1483–5.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft