Diagnose

Diagnose:
Varicella-zoster virus infection (chickenpox)

KLINISCHER VERLAUF
Aufgrund des prodromalen Fiebers und des klinischen Befundes vermuteten wir ein viral bedingtes Exanthem. Bei Vorliegen eines momomorphen Exanthems, hielten wir eine Windpockenerkrankung zunächst für unwahrscheinlich, da sich diese klinisch in der Regel durch ein polymorphes Erscheinungsbild charakterisiert. Wegen der typischen enoralen und palmaren Beteiligung führten wir dennoch einen PCR-Test auf Varizella-zoster-Virus (VZV) durch. Dieser fiel positiv aus, so dass die Diagnose einer atypischen Windpockenerkrankung gestellt wurde. Der Patient wurde zunächst mit topischen Kortikosteroiden und anschließend mit einer Kortikosteroid-freien austrocknenden Lotion behandelt. Dies führte zu einem raschen Abklingen des Juckreizes und des Exanthems.

DISKUSSION
Das klinische Bild einer Primärinfektion mit VZV ist in der Regel polymorph, wobei die Hautveränderungen als erythematöse Maculae beginnen, sich dann zu Papeln, Papulovesikeln und Bläschen entwickeln, bevor es zu einer sekundären Eintrübung mit anschließender Verkrustung kommt. Typisch ist das gleichzeitige Auftreten von Läsionen in verschiedenen Stadien. Dieses Phänomen wird als Heubnersche Sternenkarte bezeichnet, die pathognomonisch für Windpocken ist. (1) Zudem ist eine Beteiligung der Kopfhaut, der Mundschleimhaut, der Genitalien sowie der Handflächen und Fußsohlen bei einer Windpockeninfektion typisch. Im Gegensatz dazu ist ein monomorphes Exanthem, wie es bei unserem Patienten auftrat, ein seltenes Erscheinungsbild der Windpocken. Es gibt jedoch einige ähnliche Fälle, die in der Literatur beschriebenwurden. In einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit von Mazzara et al. wurde die Literatur nach Kasuistiken über atypische Windpockenmanifestationen durchsucht. Die Autoren fanden neun Fälle, in denen ausdrücklich eine monomorpheManifestation des Exanthems erwähnt wurde. (2) In mehreren dieser Fälle wurde über eine primäre Manifestation an UV-exponierten Stellen oder das Auftreten nach einer Dermatitis solaris berichtet. Die Autoren der systematischen Übersichtsarbeit vermuten daher, dass die UV-Exposition ein wichtiger Einflussfaktor der kutanen Manifestation von Windpocken sein könnte. (2) Als potenter Modulator entzündlicher und immunologischer Hautreaktionen könnte die UV-Exposition insbesondere auf beginnende, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht klinisch manifeste, Windpockeninfektionen einwirken und das Erscheinungsbild der primären Varizelleninfektion in Richtung eines synchronen, monomorphen Exanthems verändern. (2–6)

Unser Patient war während des Badeausflugs, kurz vor dem Auftreten der ersten Symptome, einer intensiven UV-Strahlung ausgesetzt. Das Exanthem war an sonnenexponierten Lokalisationen wie Rücken, Schultern und Brust ausgeprägt, mit Ausnahme des proximalen Dreiecks zwischen Brust und Hals, welches im eigenen Schatten des Patienten lag (Deckchair-Phänomen) (Abbildung 1).

Aufgrund der hohen Kontagiosität der Windpocken ist es wichtig, sowohl die typischen als auch die atypischen Erscheinungsformen der Erkrankung zu erkennen und richtig zu diagnostizieren. Obwohl sich durch die zunehmende Durchimpfung der Bevölkerung weniger Patienten mit Windpocken infizieren, ist die Erkrankung noch lange nicht ausgerottet. Im Jahr 2017 hatten zum Zeitpunkt der Einschulung noch fast 17% der Kinder in Deutschland keinen oder nur einen unvollständigen Impfschutz.(7) Eine vollständige Impfung würde jedoch das Risiko einer Varizelleninfektion deutlich verringern. Marim et al. untersuchten in einer Metaanalyse die Wirksamkeit von Varizellenimpfungen und analysierten die Daten aus 42 Studien mit verschiedenen Varizellen-Impfstoffen. Nach einer Impfung lag die gepoolte Wirksamkeit der Impfstoffe bei 81% (95%-Konfidenzintervall [KI]: 78%–84%) und nach der zweiten Impfung deutlich höher bei 92% (95%-KI: 88%–95%). (8)

Interessenkonflikt
Keiner.

LITERATUR
1. Sauerbrei A. Diagnosis, antiviral therapy, and prophylaxis of varicellazoster virus infections. Eur J ClinMicrobiol InfectDis. 2016;35(5):723-734.
2. Mazzara C, Milani GP, Lava SAG, et al. Atypical primary varicella rash: Systematic literature review. Acta Paediatr. 2022;111(5):935-939.
3. RovarisM, Cambiaghi S, Gelmetti C. An unusual photodistributed rash. Diagnosis: actinic varicella. Pediatr Dermatol. 2014;31(5):609-610.
4. Sakiyama M,Maeshima H, Higashino T, et al. Photolocalized varicella in an adult. Br J Dermatol. 2014;170(5):1195-1196.
5. Boyd AS, Neldner KH. Photolocalized varicella in an adult. JAMA. 1991;266(16):2204.
6. Castrow FF 2nd, Wolf JEJR. Photolocalized varicella. Arch Dermatol. 1973;107(4):628.
7. Robert Koch-Institut. Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung in Deutschland 2017 [Vaccination coverage at school entry examinations in Germany 2017]. Epidemiol Bull. 2019;18:147-153.
8. Marin M, Marti M, Kambhampati A, et al. Global varicella vaccine

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft