Diagnose

Incontinentia pigmenti

Diskussion
Basierend auf den klinischen Befunden kamen differenzialdiagnostisch eine bullöse Impetigo, eine kongenitale Herpes-simplex- Virus (HSV)-Infektion, eine Epidermolysis bullosa (EB), eine bullöse Mastozytose und eine Incontinentia pigmenti (IP) in Frage. Eine Impetigo und eine HSV-Infektion konnten durch Labortests ausgeschlossen werden: das Blutbild und Entzündungsmarker waren unauffällig und die Hautabstriche negativ [ 1, 2 ] . Eine EB kam aufgrund der betroffenen Hautareale nicht in Betracht: In unserem Fall folgten die Läsionen den Blaschko- Linien, während bei der EB die am stärksten betroffenen Areale Kopf, Hände und Füße gleichzeitig auch die verletzungsanfälligsten sind [ 3 ] . Aus denselben Gründen konnten wir auch eine bullöse Mastozytose ausschließen, eine seltene Variante einer Mastzellerkrankung, die gelegentlich bei Neugeborenen beobachtet wird [ 4 ] . Die Läsionen entwickelten sich ab dem dritten Monat zu hyperpigmentierten Maculae und entsprachen so einem wichtigen Diagnosekriterium der IP [ 5–7 ] mit einem typischen, neonatalen, vesikulären Ausschlag. Eine Eosinophilie bestand nicht, obgleich Eosinophile in der vesikulären Flüssigkeit nachgewiesen werden konnten.
       Mit dem Einverständnis der Eltern führten wir eine molekulare Analyse des NEMO (NF-?B essential modulator)- Gens durch (besser bekannt als IKBKG -Gen) und stellten die häufigste IP-Mutation fest (Deletion von Exon 4 bis 10 des NEMO -Gens [ 7 ] ). Die vorliegende Mutation war de novo aufgetreten, die molekulare Analyse der Eltern und Schwester des Säuglings waren negativ. In der Familie der Patientin war dies der erste Fall einer IP.
       Incontinentia pigmenti ist eine seltene, X-chromosomal-dominant vererbbare Genodermatose. Die Erkrankung verläuft für männliche Nachkommen bereits in der pränatalen Phase in der Regel letal (eine Vorgeschichte mit mehreren männlichen Fehlgeburten ist ein Hauptkriterium bei der Diagnosestellung einer IP), tritt aber selten auch bei Männern mit Klinefelter-Syndrom (XXY-Syndrom) auf oder als Ergebnis eines somatischen Mosaizismus oder als hypomorphe Mutation des NEMO -Gens [ 6–8 ] . Die Incontinentia pigmenti wird durch Mutationen des NEMO -Gens verursacht, welches eine zentrale Rolle bei der Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-?B spielt. NF-?B ist von großer Bedeutung für die Regulation inflammatorisch-immunologischer und apoptotischer Signalwege [ 7 ] .
       Die Hautbeteiligung tritt bei allen Patienten auf und ist typisch für die Erkrankung. Die IP nimmt in der Regel einen progressiven Krankheitsverlauf und weist vier in einer zeitlichen Abfolge auftretende unterscheidbare Stadien auf: 1) Vesikel auf erythematösem Grund, 2) warzenähnliche, hyperkeratotische Plaques, 3) hyperchrome Stellen, 4) hypochrome atrophe Plaques [ 8 ] . Zuweilen können Stadien sich auch überlappen oder sich bei manchen Patienten gar nicht entwickeln [ 7 ] Es sind auch Fälle einer Reaktivierung einer IP bekannt. Eine interessante Hypothese geht davon aus, dass durch Triggerfaktoren (wie Infektionen) proinflammatorische Zytokine in der Epidermis verbliebene NEMO -defiziente Zellen reaktivieren. können.
Dies würde auch erklären, weshalb die meisten Rezidive in bereits zuvor betroffenen Hautarealen auftreten [ 9 ] . Weitere charakteristische Symptome sind Fehlbildungen der Zähne und Nägel, Alopezie, Anomalien der Brust und Brustwarzen, Netzhauterkrankungen und verschiedene neurologische Symptome wie Krampfanfälle, motorische Einschränkungen, geistige Retardierung und Mikrozephalie [ 7, 8 ] .
       Eine eosinophile Leukozytose kann im frühen Krankheitsstadium auftreten und ist ein entscheidendes diagnostisches Kriterium, auch wenn es nicht pathognomonisch ist [ 5 ] .
In unserem Fall wurden Eosinophile nur in der Vesikelflüssigkeit nachgewiesen; unsere Patientin erfüllte jedoch die anderen Diagnosekriterien.
       Die Incontinentia pigmenti ist ein multisystemisches Syndromund erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise. Wir möchten betonen, wie wichtig die richtige Einordnung der Hautläsionen für die frühe Diagnose dieser Erkrankung ist.
Unsere Patientin ist derzeit 16 Monate alt und weist außer der kutanen Beteiligung keine weiteren Symptome auf.

Interessenkonflikt:
Keiner.

Literatur
1 Hartman-Adams H , Banvard C , Juckett G . Impetigo: diagnosis and treatment . Am Fam Physician 2014 ; 90 ( 4 ): 229 – 35 .
2 Rosenthal AC , Fölster-Holst R . Incontinentia pigmenti: Herpes simplex infection as an important differential diagnosis in the neonatal period . Hautarzt 2017 ; 68 ( 2 ): 149 – 52 .
3 Tay Y , Kwok Y , Lee Y . Generalized bullous eruption in an infant . Pediatr Dermatol 2005 ; 22 : 79 – 81 .
4 Salas-Alanis JC , Rosales-Mendoza CE , Ocampo-Candiani J . Bullous mastocytosis mimicking congenital epidermolysis bullosa . Case Rep Dermatol 2014 ; 6 ( 2 ): 129 – 33 .
5 Minic´ S , Trpinac D , Obradovic´ M . Incontinentia pigmenti diagnostic criteria update . Clin Genet 2014 ; 85 ( 6 ): 536 – 42 .
6 Azizzadeh M , Rezaei M , Hashemi N . Incontinentia pigmenti: a newborn with characteristic skin lesions and bilateral optic atrophy: case report and review of literature . Acta Med Iran 2013 ; 51 ( 11 ): 805 – 10 .
7 Poziomczyk CS , Recuero JK , Bringhenti L et al. Incontinentia pigmenti . An Bras Dermatol 2014 ; 89 ( 1 ): 26 – 36 .
8 Rafatjou R , Vafaee F , Allahbakhshi H et al. A multidisciplinary approach to a seven year-old patient with incontinentia pigmenti: a case report and five-year follow up . J Dent (Tehran) 2016 ; 13 ( 4 ): 295 – 301 .
9 Chao-Kuei J , Jui-Lung Shen , Chii-Shuenn Y et al. Flare-up of incontinentia pigmenti in association with Behçet disease . J Dtsch Dermatol Ges 2015 ; 13 ( 2 ): 154 – 6 .

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
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