Diagnose

Diagnose:

Rhabdomyomatöses mesenchymales Hamartom

Das rhabdomyomatöse mesenchymale Hamartom (RMH) ist eine sehr seltene angeborene Fehlbildung [1]. Hamartome [1], einschließlich diejenigen an der Haut [2], weisen eine abnorme Zusammensetzung auch üblicherweise vorkommender Gewebe auf, wachsen meist nur im Rahmen der normalen Größenzunahme und entarten sehr selten. Das RMH tritt als lokalisierte Schwellung, Papel oder Knoten bevorzugt im Gesicht oder am Hals auf [1]. Es wird vermutet, dass RMH im Gesicht oder am Hals während der Embryogenese durch Einwanderung mimischer Muskulatur in die Dermis entstehen [3]. Sie treten sporadisch oder gemeinsam mit anderen kongenitalen Anomalien, wie dem Amnion-Band-Syndrom [4] oder dem Delleman-Syndrom [5], auf.
Klinisch umfassten die Differenzialdiagnosen auf Grund der Schwellung zunächst lipomatöse Tumoren, unter Berücksichtigung der Pigmentierung auch subkutane Angiome mit Hämosiderinablagerungen [6]. Das verstärkte Haarwachstum und das frühe Manifestationsalter legten den Verdacht auf ein Hamartom nahe.
Histologisch ist das RMH durch umschriebene Proliferation von regelhaft konfiguriertem Fettgewebe, Skelettmuskulatur, Adnexstrukturen, Blutgefäßen und/oder Nervenzellen gekennzeichnet [1, 7–9]. Diese Gewebetypen sind nicht organisiert und variabel angeordnet, wobei prominente quergestreifte Muskelfasern typisch sind [3, 8, 9]. Die wechselnde Ausprägung der Gewebe in RMH führt zu einem
breiten Spektrum histologischer Differenzialdiagnosen, wie lipomatösen Tumoren, Rhabdomyome/Rhabdomyosarkome, Hämangiome oder auch Naevus sebaceus (Tabelle 1).
In unserem Fall imponieren histologisch in der Übersicht prominente Haarfollikel mit erhaltenen Talgdrüsen, die an einen Naevus sebaceus erinnern könnten. Im Gegensatz zum Naevus sebaceus zeigen sich beim RMH aber weder reduziertes Haarwachstum noch eine Talgdrüsenhyperplasie [10]. Zudem sahen wir viele in die Dermis eingesprengte Adipozyten, so dass man differenzialdiagnostisch ein Naevus lipomatosus superficialis (NLS) erwägen musste. Die in der Dermis gelegene lipomatöse Komponente ist dort jedoch ausgeprägter und ein NLS ist typischerweise an Oberschenkeln oder Gesäß lokalisiert [11]. Spindelzelllipome können selten im Gesicht auftreten, sind jedoch typischerweise in der Interscapularregion und dem Nacken zu finden. Am häufigsten treten sie bei Männern zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr auf [12]. Mikroskopisch sieht man eine Mischung aus Adipozyten und Spindelzellen, die in Ihrer Zusammensetzung variieren können. Dabei können die spindeligen Tumorzellen mit anderen Zelltypen, wie neuronalen Zellen, verwechselt werden [12]. In unserem Fall wurden mutmaßlich die Fibroblasten und die kompakten kollagenen Fasern sowie die teils längst angeschnittene quergestreifte Muskulatur initial als Spindelzellen interpretiert und führten somit zur Fehldiagnose eines Spindelzelllipoms. Die für das RMH typische quergestreifte Muskulatur ist in den zuvor genannten Entitäten nicht zu finden und somit entscheidend für die Diagnose.
Quergestreifte Muskelfasern finden sich auch bei Rhabdomyomen und Rhabdomyosarkomen. Das extrem seltene fetale Rhabdomyom tritt ebenfalls im Kopf-Hals-Bereich auf. Histologisch sieht man dicht gepackte Spindelzellverbände, welche in die Dermis und Subkutis infiltrieren. Eine Vermehrung anderer Gewebekomponenten, wie Adnexstrukturen, findet man nicht. Kutane Rhabdomyosarkome sind häufiger als kutane Rhabdomyome und stellen eine wichtige Differenzialdiagnose kindlicher Tumoren dar. Sie machen etwa 4–8 % aller kindlichen Tumoren bis zum 15. Lebensjahr aus und können auch im tiefen Weichgewebe des Kopfes und Halses vorkommen. Histologisch lassen sich mehrere Varianten abgrenzen, die sich jedoch nicht durch ausdifferenzierte monomorphe Muskelfasern mit gut erkennbarer Querstreifung auszeichnen.
Aufgrund der funktionell sowie kosmetisch kritischen Lokalisation an der Oberlippe und des Wachstums des RMH mit dem physiologischen Größenwachstum unserer jungen Patientin, wurde ein weiterer Teil exzidiert. Bei im Verlauf persistierender oder wiederauftretender Hypertrichose kann aus kosmetischer Indikation gegebenenfalls die Haarentfernung, zum Beispiel mittels Laserepilation, sinnvoll werden.
Bei unklaren Hautveränderungen sollte eine histologische Diagnostik erfolgen. Dadurch kann ein maligner Tumor ausgeschlossen, die Therapie angepasst und der weitere Verlauf besser abgeschätzt werden. Da Hamartome mit der physiologischen Größenzunahme wachsen, sollte das Wachstum der Patienten weitgehend abgeschlossen sein. Weitere chirurgische Eingriffe sind somit in Zukunft vermutlich verzichtbar. Die in einem Einzelbericht beschriebene präoperative Lasertherapie an der Oberlippe bei Verdacht auf ein Hämangiom erscheint uns angesichts der tiefreichenden Lokalisation wenig erfolgversprechend [6].

Interessenkonflikt
Keiner.

Literatur
1 Rosenberg AS, Kirk J, Morgan MB. Rhabdomyomatous mesenchymal hamartoma: An unusual dermal entity with a report of two cases and a review of the literature. J Cutan Pathol 2002; 29: 238–43.
2 Reolid A, Navarro R, Daudén E et al. Facial folliculocystic and collagen hamartoma: a variant of fibrous cephalic plaque with prominent cyst formation? J Dtsch Dermatol Ges 2019; 17(7): 738–41.
3 Ashfaq R, Timmons CF Rhabdomyomatous mesenchymal hamartoma of skin. Am J Dermatopathol 1994; 16: 73–5.
4 Hendrick SJ, Sanchez RL, Blackwell SJ, Raimer SS. Striated muscle hamartoma: description of two cases. Pediatr Dermatol 1986; 3(2): 153–7.
5 Ferguson JW, Hutchison HT, Rouse BM. Ocular, cerebral and cutaneous malformations: confirmation of an association. Clin Genet 1984; 25(5): 464–9.
6 Dal Vechio A, Nakajima E, Pinto D Jr et al. Rhabdomyomatous (mesenchymal) hamartoma presenting as haemangioma on the upper lip: a case report with immunohistochemical analysis and treatment with high-power lasers. Case Rep Dent 2013; 2013: 943953.
7 Katsumata M, Keong CH, Satoh T. Rhabdomyomatous mesenchymal hamartoma of skin. J Dermatol 1990; 17: 385–7.
8 Mills AE. Rhabdomyomatous mesenchymal Hamartoma of skin. Am J Dermatopath 1989; 11: 58–63.
9 Lee YH, Yao XF, Wu YH. Plaque-type variant of acquired rhabdomyomatous mesenchymal hamartoma on the chin: a case series. Am J Dermatopathol 2021; 43(12): 908–12.
10 Morioka S. The natural history of nevus sebaceus. J Cutan Pathol 1985; 12(3-4): 200–13.
11 Mehregan AH, Tavafoghi V, Ghandchi A. Nevus lipomatosus cutaneus superficialis (Hoffmann-Zurhelle). J Cutan Pathol 1975; 2 (6):307–13.
12 Enzinger FM, Harvey DA. Spindle cell lipoma. Cancer 1975; 36: 1852–9.

Die Diagnosequizze werden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom 
"Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft" © Deutsche Dermatologische Gesellschaft