Ernährungsmedizin

eine fachübergreifende Disziplin

Ähnlich wie die Schmerzbehandlung von Ärzten aller Fachrichtungen erwartet wird, so ist auch die Ernährungsmedizin ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit in fast allen Disziplinen. Im Rahmen der konstant steigenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in unserer Bevölkerung und den daraus resultierenden Krankheitsbildern wie Diabetes, Bluthochdruck und der koronaren Herzkrankheit so liegt die Bedeutung präventiver Maßnahmen klar auf der Hand. Viele dermatologische Krankheitsbilder zeigen sich zudem maßgeblich beeinflusst durch den Lebensstil und die Ernährung unserer Patienten.

Ein erfolgreiches ganzheitliches Management beinhaltet folglich die Erfassung, Beachtung und adäquate Adressierung ernährungsbedingter Risiken und deren Folgen.

Nun, wie werde ich Ernährungsmediziner:In?

Stand heute gilt folgendes Statement der Abteilung Weiterbildung der Ärztekammer Nordrhein:

„bezugnehmend auf den bereits geführten Schriftverkehr teilen wir Ihnen mit, dass nach neuer Weiterbildungsordnung (WBO), die seit dem 01.07.2020 in Kraft getreten ist, Zusatzweiterbildungen nach der Facharztweiterbildung abzuleisten sind. […] Die geforderten Inhalte können dabei erst ab der zweiten Hälfte der Facharztweiterbildung erlangt werden.

Sie fallen unter die neue WBO, wenn Sie nach dem 01.07.2022 begonnen haben.“

Wie schade! Ich persönlich werde im Grunde täglich von interessierten Patienten gefragt, ob und wie sie durch eine Anpassung ihrer Ernährung selbst positiv dazu beitragen können, dass sich ihre Krankheitslast verringert. Gerne würde ich hier fachlich fundiert und versiert antworten.

Fakt ist, dass Ernährungsmedizin kein integraler Bestandteil unseres Grundstudiums ist und auch im Rahmen der regulären Weiterbildung keine nennenswerte Rolle in unserer Weiterbildungsordnung einnimmt. Dies gilt nicht nur für die Dermatologie.

Die Tatsache, dass die Ärztekammer die Regelung der möglichen Anerkennung nur bei Ableisten ab der zweiten Hälfte der Facharztweiterbildung weiterhin aufrechterhält, ist schlichtweg nicht zeitgemäß. Schlimmer noch, hier wird aktiv eine Verbesserung der Qualität unserer Weiterbildung verhindert.

Im Kontakt mit der Ärztekammer hieß es dann, ich solle mich doch erstmal um die regulären Inhalte meiner Weiterbildung kümmern, bevor ich mich für Zusatzbezeichnungen einsetze.

Ernährungsmedizin ist viel mehr als nur eine Stellschraube im Therapieplan. Ernährung ist auch Kultur gestaltend. Essen erfüllt gesellschaftsübergreifend den Zweck soziale Gemeinschaften mit zu formen, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Compliance unserer Patienten beginnt und endet nicht bei der durch uns mehr und mehr verordneten Polypharmazie, sondern umfasst maßgeblich auch die Lebensbereich Ernährung, Bewegung und Schlaf.

Soweit zur aktuellen politischen Lage und Sichtbarkeit des Themas Ernährungsmedizin. Die deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM e.V.) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ernährungsmedizin in Deutschland. Es handelt sich hier um eine multidisziplinäre Vereinigung aller Berufsgruppen, die sich mit Ernährungsmedizin befassen – überwiegend Ärzte sowie Ernährungs- und Pflegefachkräfte und Apotheker. Die Gesellschaft vereint mehr als 3000 Ärzte, Experten und Wissenschaftler, die ernährungsmedizinisch forschen, lehren, behandeln und beraten (3).

Grundsätzlich besteht die Weiterbildung Ernährungsmedizin aus zwei Teilen:

  1. Absolvierung des 100-Stunden-Curriculums Ernährungsmedizin nach Bundesärztekammer (BÄK)
  2. 120 Stunden Fallseminare Ernährungsmedizin oder 6-monatige Vollzeittätigkeit

Die Kosten für den 100-Stunden-Kurs liegen bei 1.980€. Im Preis enthalten sind Prüfungsgebühren, Seminarunterlagen, sowie die Betreuung während der Telelernphase. Optimal ist es, wenn dieser Kurs vor den Fallseminaren abgeschlossen wird. Die Fallseminare dienen der Anwendung des erworbenen Grundlagenwissens und decken das gesamte Spektrum der Ernährungsmedizin ab. Die Kursgebühr beträgt 500€.

Werfen wir nun gemeinsam einen Blick in das Inhaltsverzeichnis der 7. Auflage von Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie (2018); so fällt auf, dass die Dermatologie wie vielleicht keine andere Fachrichtung ernährungsmedizinisch versierte Ärtz:Innen mit profunden Kenntnissen von Stoffwechsel und Pathophysiologie ernährungsbedingter Risiken und Fehlverhalten bedarf.

In Kapitel 19: Stoffwechselstörungen mit Hautbeteiligung unterteilt in „Lipidstoff-wechselstörungen“, „Purin- Sphingolipid- und Aminosäurestoffwechselstörungen“, „Hautveränderungen durch Gammopathien“, „Amyloidosen und Hyalinosen“, „Muzinosen“, „Porphyrien“, „Kutane Kalzinosen“, „Hautveränderungen durch Mineralstoffwechselstörungen“, „Hautveränderungen durch Ernährungs-störungen, Adipositas und Vitaminosen“, sowie „Endokrinologische Erkrankungen“ wird schnell klar, dass lebensnahe Fragen unserer Patienten nicht durch die Inhalte unseres Studiums oder unserer aktuellen Weiterbildungsinhalte abgedeckt werden können. Besonders groß ist auch die Nachfrage von Patienten aus dem Kreis der chronisch entzündlichen Dermatosen Neurodermitis und Psoriasis vulgaris, sowie der Akne vulgaris oder auch autoinflammatorischer Syndrome.

In Zusammenschau würde ich die weitere Inklusion ernährungsmedizinischen Grundlagenwissens sowohl in unser Grundstudium als auch in unsere Weiterbildungsordnung sehr begrüßen. Zudem erachte ich es für sinnvoll und zwingend notwendig, dass die Regelung, der Aufnahme der Zusatzweiterbildung Ernährungsmedizin bereits ab Beginn der Facharztweiterbildungszeit und nicht erst ab der zweiten Hälfte ermöglicht und sogar gefördert werden sollte.

Ich bin gespannt auf Eure Anregungen und Kommentare,

Eure Regina

 

  1. https://rollcall.com/2021/11/11/mcgovern-nudges-medical-schools-to-invest-in-nutrition-education/
  2. Guns, Germs and Steel by Jared Diamond (1999)
  3. www.dgem.de/organisation-1