Magistrale Rezepturen

Grundstein der personalisierten Medizin

Für die Eigenherstellung von Arzneimitteln gibt es etablierte Rezepturvorschriften – so unter anderem das „Neue Rezeptur-Formularium“ (NRF). Zuvor gab es in der DDR bis 1990 die „Standardrezepturen“ (SR) und auch deren Vorläufer: die „Deutschen Reichsformeln“ (DRF), die auch heute in den neuen Bundesländern teilweise noch verwandt werden. Magistrale Rezepturen nennt man alle „Ad-hoc-Zubereitungen“ nach standardisierten und geprüften Vorschriften. Hier gelten die Vorschriften des Arzneibuches (in Deutschland (DAB) „Deutsches Arzneibuch“; in Europa: „Europäisches Arzneibuch“ (Ph.Eur.)). Auch interessant: Nach dem deutschen Arzneimittelgesetz sind Rezeptur- und Defekturarzneimittel nicht zulassungspflichtig. Aus dem Arzneimittelgesetz geht jedoch ein Verbot der Abgabe von bedenklichen Arzneimitteln hervor, welches auch für Arzneimittel aus Eigenherstellung gilt.

Die Schutzwirkung durch Patente erfasst zudem nicht die unmittelbare Einzelzubereitung eines Medikamentes durch einen Apotheker im Rahmen einer ärztlichen Verordnung.

Die Verwendung magistraler Rezepturen bietet viele Möglichkeiten:

  • Individuelle Dosierung
  • ggf. Kombination mit weiteren Wirkstoffen
  • Vermeidung allergischer Reaktionen bei bekannten relevanten Sensibilisierungen gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen von Fertigarzneimitteln

Mögliche Nachteile können sein: Höhere anfallende Kosten durch die manuelle Herstellung und teilweise begrenzte Haltbarkeit. Eine Bevorratung ist im Regelfall nicht vorgesehen, aber bspw. im Rahmen der Verordnung von Mundspüllösungen gut möglich (ca. 18 Monate).

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Rezeptur und Defektur?

Defekturarzneimittel werden auch als Fertigarzneimittel beschrieben. Diese Bezeichnung gilt auch, wenn sie in unveränderter Form nur noch abgefüllt werden müssen.

Nun aber zum Seminar „Magistrale Rezepturen“ von uns – von JuDerm:

Durch den Samstagvormittag führte uns Frau Professor Dr. med. Petra Staubach-Renz. Sie ist Oberärztin an der Hautklinik der Universitätsklinik Mainz, Lehrbeauftragte und Leiterin des dortigen Clinical Research Center (CRC). Interessanterweise begann Frau Professor Staubach-Renz ihre berufliche Laufbahn als pharmazeutische Assistentin im Labor. 1990 begann sie ihr Medizinstudium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, welches sie 1996 erfolgreich abschloss. Direkt im Anschluss begann sie ihre Weiterbildung an der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Mainz als Assistenzärztin, seit 2000 als Fachärztin für Dermatologie, seit 2003 ebenfalls für Allergologie und seit 2004 als Oberärztin in oben genannter Funktion. Als Mitglied der Fachgruppe Magistralrezepturen der Gesellschaft für Dermopharmazie betreut sie das BVDD Sonderreferat „Dermatologische Rezepturen“.

Dieses Jahr fand das "Fit für die Praxis"-Seminar „Magistrale Rezepturen“ online via Zoom mit 54 Teilnehmern statt. Das mittlerweile erprobte Online-Format war auch dieses Mal wieder gekonnt organisiert und moderiert durch Kristin Rosenow. Fragen konnten sowohl während als auch nach dem Seminar gestellt werden.

Frau Professor Staubach-Renz demonstrierte in zwei Stunden eindrucksvoll, dass die personalisierte Lokaltherapie auch im Einzug haltenden Zeitalter der (personalisierten) Systemtherapie einen hohen Stellenwert innehat. Wenngleich Systemtherapien auch fachübergreifend zum Einsatz kommen bspw. in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit unseren Kollegen der Rheumatologie, so ist und bleibt die Lokaltherapie doch Domäne der Dermatologie. Bedeutsam ist auch, dass ca. 40% der Verordnungen durch uns Dermatologen Rezepturen sind, oftmals auch Individualrezepturen. Glücklicherweise gibt es viele bewährte Dermatika, jedoch auch die ein oder andere therapeutische Nische, die es vor allem für uns junge Dermatolog:Innen in Weiterbildung noch zu entdecken gibt.

Hier bietet sich als wertvolle Hilfestellung dieses Seminar an. Neben den Grundbegriffen des Themenbereiches „Magistrale Rezepturen“ umfasst es auch Leitlinien zur Externatherapie, Kommunikationshilfen zwischen Arzt und Apothekern bei problematischen Individualrezepturen und die Vorstellung der Verordnungshilfe des Pharmazeutischen Laboratoriums des DAC/NRF. Da nicht jede Kombination von Wirk- und Hilfsstoffen ein sicheres und wirksames Arzneimittel ergibt, bietet dieses Übersichts- und Nachschlagwerk in Kitteltaschenformat eine gute Orientierung über die bereits etablierten Rezepturen. Die Sammlung beinhaltet mehr als 450 meist dermatologische (z.T. auch pädiatrische oder der HNO-Medizin zugehörige) bereits auf Praktikabilität geprüfte Rezepturen.

Unter dem untenstehenden ersten Link erhaltet Ihr nach Login mit einem DocCheck®-Account Zugriff auf den Ärzte-Service des DAC/NRF. Dieser beinhaltet die Möglichkeit der Nutzung des Rezepturenfinders, des Downloads einer entsprechenden Gebrauchsanweisung für Patienten als PDF-Vorlage in DIN A6 und DINA4 Format (s. 3. Link unten) und den Link zum Online-Anfrageformular für Fragen rund um die Galenik der Magistralrezepturen zum Beispiel nach NRF.

Praktische Tipps:

Mein Fazit:

Auf dem Weg zur personalisierten Medizin sollten zwei Punkte erneut in den Fokus gerückt werden:

  1. Die Anamnese bleibt das A und O im Kontakt mit unseren Patienten.
  2. Die Rezeptierung von Individualrezepturen eignet sich sowohl für Erkrankungen leichter und moderater Schweregrade, als auch für mittel- und schwergradig Erkrankte.

Mich hat das Seminar „Magistrale Rezepturen“ begeistert und neugierig gemacht. Die Möglichkeit der Nutzung von Individualrezepturen bedarf wie jede Therapie der richtigen Indikationsstellung, einem gut geschulten Auge und einem fundierten Basiswissen der Pathophysiologie der entsprechenden Hautbefunde und präsentierten Krankheitsbilder. Spannend!

Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende und freue mich auf Feedback, Anregungen und Fragen.

Eure Regina