Wie schreibe ich einen guten klinischen Fallbericht

Welche Möglichkeiten bietet ein klinischer Fallbericht und was umfasst dieses Format eigentlich?

Klinische Fallberichte beschreiben einen medizinischen Sachverhalt an einem oder mehreren einzelnen Patienten vor einem wissenschaftlichen, medizinischen oder didaktischen Hintergrund. Fallberichte stellen Beobachtungen aus der regulären klinischen Patientenversorgung dar. Diese Art der Berichterstattung kann eine integrale Rolle in der Entdeckung von Nebenwirkungen, neuen Therapie- und Diagnoseverfahren, sowie zuvor nicht bekannten oder sehr seltenen Erkrankungen spielen.  Des Weiteren können sie Hypothesen für zukünftige klinische Studien liefern, sowie Informationen zur Evaluation aktueller Ansätze in der personalisierten sowie systemischen Medizin. Nicht nur für uns Weiterbildungsassistent:innen bieten Fallberichte eine tolle Möglichkeit zum Fallbasierten Lernen, auch für unser gesamtes Kollegium. Hier lässt sich, wie sonst nur durch Rotationen oder Auslandsstipendien über den eigenen Tellerrand schauen und einen Blick in die medizinische Ausbildung und Gesundheitsversorgung verschiedener Kulturen werfen.

Wie lässt sich nun ein qualitativ hochwertiger Fallbericht ausmachen oder besser noch – selbst verfassen?

Um in seiner Funktion als potenzieller Impulsgeber valide sein zu können, sollte ein Fallbericht transparent und replizierbar sein. Zudem sollte eine ausreichende Stringenz in der Aufarbeitung und Präsentation für eine etwaige weitere Datenanalyse gegeben sein. Erreicht werden kann dies durch eine strukturierte inhaltliche und optische Aufarbeitung der Patienteninformationen (demografische Charakteristika, Hauptbeschwerden, medizinische, familiäre und psychosoziale Anamnese). Besonders hilfreich ist eine grafische oder wahlweise tabellarische Darstellung der Zeitachse, beispielsweise in Form einer „timeline“. Diese macht es dem Leser leichter sich einen guten Überblick zu verschaffen und den Details des Fallberichts besser zu folgen.

Die Begrifflichkeiten sind hier auf den ersten Blick etwas verwirrend: Den finalen Text nennen wir „Fallbericht“, jedoch ist der eigentliche Fallbericht in eine Art Gerüst aus Titel, Keywords, Abstract, Einleitung, dem Fallbericht selbst, Diskussion und Fazit eingebettet.

Es muss durchweg differenzierbar sein, von wem welche Aussage stammt und ob sie beispielsweise auf einer Studie basiert. Üblicherweise erfolgt die Recherche via PubMed. „PubMed ist eine englischsprachige textbasierte Meta-Datenbank mit Referenzen auf medizinische Artikel bezogen auf den gesamten Bereich der Biomedizin der nationalen medizinischen Bibliothek der Vereinigten Staaten.“ (2)

Zunächst sollte ein Titel festgelegt werden. Ähnlich einer Schlagzeile in einer Zeitung umfasst dieser den Inhalt kurz und bündig. Einzelne Journals verlangen, dass der Begriff „Fallstudie“ oder „Case Report“ im Titel auftaucht, andere nicht. In der Wahl des Journals ist auch die Frage inbegriffen, in welcher Sprache der Fallbericht erstellt werden soll: Englisch oder Deutsch? Prinzipiell erreicht man im Rahmen internationaler Publikationen (Englisch) ein größeres Publikum. Zudem beobachten wir seit Jahren eine zunehmende Übernahme angloamerikanischer Begriffe in Wissenschaft und Forschung, als auch in unserem alltäglichen Leben – warum also nicht einfach einen Fallbericht in englischer Sprache verfassen? Sicher erfordert es zu Beginn deutlich mehr Mühe wissenschaftliche Arbeiten in englischer Sprache zu verfassen und lesen zu können, langfristig jedoch, eröffnet sich so ein deutlich größeres (Spiel-)Feld.

Das Abstract fasst die wichtigsten und wesentlichen Aussagen des Fallberichts zusammen. Es empfiehlt sich das Abstract als Letztes zu schreiben, nachdem das ganze Manuskript bereits erstellt ist. In diesem Schritt sollten zudem ungefähr fünf Keywords (Schlüsselbegriffe) definiert werden. Hierüber kann der Artikel später in den Datenbanken zu finden sein. Folglich sollten ein bis zwei dieser Keywords recht spezifisch gewählt werden, damit der Fallbericht vom interessierten Publikum gut zu finden ist.

Um den im Hauptteil positionierten Fallbericht in den aktuellen medizinischen Kontext einzubetten, beginnt dieser mit einer kurzen Einleitung. Die Einleitung beschreibt in wenigen Worten den aktuellen Stand des Wissens und erläutert die nötigen Grundlagen. Hier kann bereits auf Kontroversen oder ungeklärte Einzelheiten eingegangen werden. Meist besteht die Einleitung lediglich aus einem überschaubaren Abschnitt. Vorzugsweise ist sie mit Zitaten belegt.

Nun zum Fallbericht selbst. In Grundzügen werden Anamnese, Diagnostik, Befunde und Verdachtsdiagnose dargestellt. Hier können Abbildungen, sowie die Fotodokumentation Platz finden. Im besten Fall hat der Leser am Ende den Eindruck, dass der präsentierte Patient genauso gut sein eigener sein könnte. Im Anschluss folgt der Übergang zur Behandlung des Patienten; hier ist vor allem der Verlauf (Erfolge oder Komplikationen) von Interesse.

Die anschließend folgende Diskussion ist der anspruchsvollste Abschnitt, sowohl in Fallberichten als auch in Doktorarbeiten und vollwertigen Papern. Hier werden die Ergebnisse und der Fall diskutiert. Dieser Teil sollte immer mit Zitaten und Literaturverweisen gestützt werden.

Am Ende des Fallberichts steht eine kurze Zusammenfassung mit einem Fazit für den Klinik-/Praxisalltag. Dem Schlussteil folgen das Literaturverzeichnis, die Tabellen und die Abbildungen. Besonders die Abbildungen (klinische Fotodokumentation, Histologie) sind bei Fallberichten besonders wichtig, da die Dermatologie zu einem großen Teil ein visuelles Fach ist. Die klinische Fotodokumentation sollte anonymisiert sein und eine hohe Qualität haben.

In den Danksagungen werden nacheinander Funding und Sponsoring, Autorenschaft, anteilige Beiträge (Wer hatte die Idee, wer war für die Literaturrecherche verantwortlich, usw.), Offenlegung von Interessenskonflikten, Lizensierung (z.B. CC BY-SA) abgehandelt.

Ein Kommentar zur Autorenschaft: Im Hinblick auf den Titel des/der Privatdozent:in ist es wichtig zu wissen, dass über Fallberichte und auch nur dann, wenn eine (geteilte) Erstautorenschaft besteht, lediglich Punkte gesammelt werden können; diese Publikationen jedoch nicht als eine „vollwertige Publikation“ zu werten sind. Die letzte Stelle gehört in der Regel dem jeweiligen Klinikdirektor. Alle weiteren Stellen sollten vor der Submission gut besprochen werden und richten sich danach, wer, welchen Beitrag geleistet hat.

Ein Tipp aus der Praxis: Es kommt regelhaft vor, dass Fallberichte von dem selbst ausgewählten Journal entweder nicht direkt oder gar nicht angenommen werden. Eine Kollegin gab mir direkt zu Anfang folgenden Rat:

“There’s a home for every publication – you just have to find it.”

Ist nun ein Zuhause für unseren Fallbericht gefunden folgt der letzte Schritt vor der Publikation: Die Proofs. Proofs zeigen dem korrespondierenden Autor, wie der Artikel im Printmedium oder Online aussehen wird. Hier können noch finale Änderungen vorgenommen werden. Die meisten Journals benötigen circa drei bis vier Wochen, um die entsprechenden Proofs bereitzustellen und zum finalen formalen und inhaltlichen Review vorzulegen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, können nochmal vier bis sechs Wochen bis zur Publikation veranschlagt werden. Einige Journals bieten eine Art „Fast-Track Publication“ an, oftmals wird hier eine „Rapid Service Fee“ berechnet.

Ich hoffe, euch einen guten Überblick verschafft zu haben und wünsche uns allen ganz viel Freude in der Praxis und der Erstellung des ein oder anderen spannenden Fallberichts – es lohnt sich!

Eure Regina

Referenzen:

1. www.care-statement.org und Gagnier JJ, Riley D, Altman DG, Moher D, Sox H, Kienle GS, for the CARE group: The CARE guidelines: Consensus-based clinical case reporting guideline development. Dtsch Arztebl Int 2013;110(37):603-608. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0603
2. de.wikipedia.org/wiki/PubMed